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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einen Abschied, ohne ein weiteres Wort. War er ihnen das nicht wenigstens schuldig, nach allem, was sie für ihn getan hatten?
    Die Schiffsglocke nahm ihm die Entscheidung ab. Sie läutete – oder vielmehr – sie schrie ihn fast an.
    Die raue Stimme des Kapitäns überschlug sich förmlich. »Wir bekommen schon wieder Besuch, verdammt und draufgespuckt«, fluchte er und die Sprachrohre übertrugen die wüsten Beschimpfungen im ganzen Schiff.
    Einen Moment später kippte der Falke zur Seite und Jordi wurde von den Füßen gerissen.
    Er fiel erst auf den Boden, rutschte auf die nächstbeste Wand zu und prallte unsanft dagegen. Kleine Kisten und sperriger Krimskrams trafen ihn hart, als er sich mühsam aufzurappeln versuchte, doch endlich hatte er es geschafft und rannte hinüber zur Messe.
    Jedes Flugmanöver des Kapitäns ließ den Jungen gegen eine Wand torkeln. Nur mühsam hielt er sich auf den Beinen.
    Dann, mit einem Mal, glitt der Falke wieder ruhiger dahin, gerade als Jordi die Messe erreichte.
    Er stürmte durch die offene Tür. Kopernikus kniete vor dem Fenster neben Makris de los Santos und redete auf sie ein, als habe sie etwas durch und durch Dummes vor.
    »Es ist nicht das Malfuria, das Ihr kennt«, sagte er zu der Zigeunerhexe. »Es ist ganz anders.«
    Jordi horchte auf.
    Malfuria?
    Er rannte zum Fenster.
    Eine fliegende Galeone schwebte vor ihnen über dem Wüstensand und nahm Kurs auf den Falken. Die schwarzen Segel flatterten im Wind und schluckten das Licht, das auf sie fiel, als seien sie selbst nur hungrige Nachtgeschöpfe.
    Hinter ihr, hoch in der Luft, stand ein mächtiger Sturm aus unglaublich schnell in der Luft wirbelnden Rabenfedern. Finsterfalterschwärme folgten dem Sturm und verdunkelten die Sonne.
    Jordi schloss für einen Moment die Augen.
    Bereits zweimal hatte dieser Wirbelsturm seinen Weg gekreuzt. Er hatte gesehen, wie er die singende Stadt verlassen hatte, und war sogar Zeuge geworden, wie er sich in Lisboa von Neuem erhoben hatte. Catalinas Großmutter war entsetzt gewesen, als sie die aufsteigenden Federn erblickt hatte. Jetzt verstand Jordi, warum. Malfuria war nicht tot. Es war lebendig. Es war zu einem wirbelnden Ungeheuer geworden.
    »Es wird uns vernichten«, murmelte er.
    »Niemand zweifelt daran«, sagte Kopernikus trocken.
    Makris schüttelte verzweifelt den Kopf. »So hört mir doch zu«, sagte sie mit flehender Stimme. »Malfuria ist nicht gekommen, um zu zerstören! Malfuria ist gekommen, um mich zu retten.«
    Kopernikus kniete neben der schönen Zigeunerhexe und es sah aus, als wolle er sie um etwas bitten. Er griff nach ihrer Hand. »Der Rabensturm ist nicht mehr Euer Zuhause«, sagte er beschwörend. »Wenn Ihr ihn sehen könntet . . .« Er verstummte und strich über die Steine, die Makris’ Hand bedeckten.
    »Ihr versteht nicht, Kopernikus.«
    »Doch, das tue ich«, sagte er. »Aber ich kann Euch helfen.«
    »Ihr?«
    Er blickte in die Augen aus Amethyst. »Ich weiß, Ihr mögt mich nicht«, sagte er, »aber Ihr müsst mir vertrauen.« Er schaute schnell zu Jordi, dann wieder zur Zigeunerhexe. Ihre linke Hand und der Arm bis zum Schultergelenk hinauf hatten sich bereits in Mosaikstein verwandelt.
    »Ich kann den Sturm spüren«, flüsterte sie.
    »Ich weiß, was Ihr meint«, erwiderte Kopernikus. »Mir geht es ähnlich.« Er seufzte. »Und eben deswegen fürchte ich, dass der Falke keine Chance haben wird.«
    Jordi schlug mit der Faust gegen das Fensterglas, so heftig, dass Makris und Kopernikus ganz erschrocken zusammenzuckten. »Doch«, schrie er und wirbelte herum. »Der Falke wird eine Chance haben! Ich lenke sie ab. Ich nehme den Pájaro.«
    Kopernikus warf ihm einen gehetzten Blick zu. »Unsinn, Junge! Das wäre dein sicherer Weg in den Tod.«
    Jordi sah aus dem Fenster. Die Galeone näherte sich schnell.
    Tief unten im Bauch des Falken heulten die Dampfmaschinen auf. Es knirschte, als die mechanischen Innereien zu brodeln begannen.
    »Du hast keine Erfahrung mit Fluggefährten«, schrie Kopernikus über den Lärm hinweg.
    »Ich komm schon klar.«
    Kopernikus blitzte den Jungen an. Doch dann glomm ein Funken des Verstehens in seinen Augen. »Ich weiß, was du vorhast«, knurrte er.
    »Na und?«
    »Du . . .«
    »Nein!«, schrie die Zigeunerhexe sie beide an. Sie packte Kopernikus am Ärmel. »Er darf das nicht tun, bitte!«
    Kopernikus zögerte. Er richtete sich auf und trat ein Stück vor, um einen besseren Blick auf den Sturm zu haben, der sich am Horizont

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