Die Koenigin der Schattenstadt
festklammern musste, um nicht hinauszufallen.
Aufgrund seiner geringen Größe war das Fluggefährt wendiger als die Galeone, die ihm an den Fersen klebte.
Kopernikus rieb sich die Augen. Äderchen traten blau darunter hervor.
»Wie zum Teufel haben die uns gefunden?«, knurrte er.
Jordi zuckte mit den Schultern. Es war nur zu offensichtlich, dass die Galeone und der Rabenfedernsturm hier in der Wüste auf sie gewartet hatten. Sie mussten gewusst haben, dass der Falke diesen Kurs nehmen würde. Der Moskitoflieger! Aber hatte Kopernikus ihn nicht getötet, bevor er seine Informationen hatte weitergeben können?
Der Kolibri sackte ab, um einem Geschoss auszuweichen. Gleich darauf stabilisierte Kopernikus den Flug und gewann flink wieder an Höhe. »Wir müssen in Bewegung bleiben«, murmelte er konzentriert. »Jordi, was macht Malfuria?«
Jordi gab es nicht gerne zu. »Der Sturm folgt dem Falken.« Das Gebilde aus Federn und Magie ließ nicht locker.
»Warum zum Teufel tut er das?«, fragte Kopernikus leise.
Jordi wollte gerade mit den Schultern zucken, als ihm plötzlich etwas einfiel.
Was, wenn ihre Gegner es gar nicht auf den Falken abgesehen hatten, sondern vielleicht nur auf eine Person im Falken?
Er warf einen Blick nach vorn.
»Wer seid Ihr wirklich?«, fragte er scharf.
Kopernikus gab keine Antwort. Er flog in ein Dünental hinein, hielt den Kolibri dicht über dem Boden.
»Sagt es mir!«
Der alte Mann blickte zurück. »Was sind schon Namen?« Die Galeone gewann an Geschwindigkeit. »Du kennst sie alle. Arxiduc, Karim Karfax, Kopernikus.« Dumpf klang es, als er die Worte aussprach, gerade so, als rede er über Menschen, die bereits vor langer Zeit gestorben waren. »Behalte mich als Kopernikus in Erinnerung, versprich mir das.« Es war ihm ernst.
Er ließ den Pájaro so weit in die Tiefe sinken, dass seine Schwingen fast den Sand aufwirbelten.
Die Galeone schwebte hinter ihnen her, ohne an Tempo einzubüßen. Die Gebläsemaschinen waren laut wie nie zuvor und das, was sie atmeten, blähte die pechschwarzen Segel auf, als seien sie hungrige Wesen auf der Jagd nach der Beute des Tages.
»Die Kraft der Schatten verlässt mich endgültig. Was du siehst, das ist mein wahres Gesicht.« Kopernikus lenkte den Pájaro aus dem Tal hinaus. Klebrige Sandgeister versuchten, den Kolibri zu packen, aber ihre kleinen Körper steckten zu tief im Sand. Nur die Klauen vermochten sie in die Höhe zu recken. »Ich bin uralt und ich werde bald tot sein.«
Die Galeone schoss neue Finsternis auf den Pájaro.
»Nein«, murmelte Jordi, aber er wusste, dass es die Wahrheit war.
Er erinnerte sich an die Nacht, in der er allein in die Bibliothek gegangen war, um Antworten auf Catalinas Fragen zu finden. Dort hatte er das erste Mal von Kopernikus gehört. Gemeinsam mit Firnis Cervantes und einem seiner Gehilfen hatte er sich in den Büchern vergraben und die Buchstaben befragt, von Unruhe getrieben hatte er in den alten Schriften nach Hinweisen gesucht. Und gefunden hatten sie schließlich ein Porträt, Hunderte von Jahren alt. Es hatte einen alten Mann gezeigt, der finster und verwegen aussah.
Ein einfacher Holzschnitt war es gewesen, man hatte nicht viel darauf erkennen können. Doch ein Name hatte unter dem Bild gestanden: Karim Karfax.
Der Mann, den er nun seinen Freund nannte.
»Wie habt Ihr die Schatten kennengelernt?«, flüsterte Jordi.
»Ich hatte einen Bruder«, sagte Kopernikus und seine Stimme brach wie ein krummer Ast unter seiner Eislast im tiefsten Winter. Er ließ den Pájaro einen Kreis beschreiben, sodass die Galeone sich auf einmal vor ihnen befand. »Kaifas Karfax. Er ist der erste Arxiduc gewesen, der die Schatten in sich getragen hat.«
Die Galeone kam jetzt direkt auf sie zu. »Er hat damit begonnen, die Hexen zu jagen.« Kopernikus drückte schnell ein paar Knöpfe und zog zwei Hebel. Die runden Anzeiger begannen unruhig zu kreisen. »Ich bin bloß der Zweitgeborene gewesen. Kaifas war derjenige, den unsere Mutter liebte. Und er war der Günstling der Schattenkönigin.« Kopernikus riss den Steuerknüppel zur Seite und der Pájaro flog auf die Segel der Galeone zu. »Während ich älter wurde, blieb mein Bruder all die Jahre über jung.« Seine Augen sahen weit, weit in die Vergangenheit, während das Dröhnen der Gebläsemaschinen noch lauter wurde.
Drüben, am grellhellen Horizont, verfolgte Malfuria den Falken. Auch Cortez versuchte ein Ausweichmanöver nach dem anderen und Jordi fragte
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