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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sich wieder, warum der Sturm derart verbissen Jagd auf die Windwanderer machte.
    Kopernikus ließ den Pájaro über das Deck der Galeone sausen.
    Grelle Schreie drangen bis zu ihnen vor. Die Silberaugenmatrosen, die sich nicht schnell genug in Sicherheit brachten, wurden von dem rasenden Kolibri getroffen, mitgeschleift und gingen über Bord.
    »Ich war eifersüchtig auf Kaifas, schon immer.« Kopernikus zog die Nase des Vogels nach oben. »Und ich habe ihn getötet. Ich habe meinen Bruder umgebracht mit einer Silbermünze, die so eisig kalt war wie das alte Herz in seinem so jungen Körper.« Der Kolibri ging in einen wüsten Sinkflug über. Unten im Sand lagen vereinzelt die abgestürzten Silberaugenmatrosen. Skorpione krochen über die regungslosen Leiber und Sandgeister schnüffelten an ihrer Kleidung. »Damit«, fuhr Kopernikus fort, »habe ich die Schatten in mein Herz gelassen und sein Erbe angetreten.«
    Der Pájaro raste durch die flimmernde Hitze.
    »Ihr seid jung geblieben, weil Ihr der Schattenkönigin gedient habt!«
    Kopernikus nickte, während er die Galeone im Auge behielt, die wendete und erneut auf sie schoss.
    Jordi sah hinüber auf den Rabensturm, der zu ihrer Rechten wütete. Malfuria sandte jetzt Rabenfedern aus, die mit ihren spitzen Kielen und verbündet mit Scharen von Finsterfaltern dem Falken zu Leibe rückten. Sie würden sich in den Windungen verhaken und die Steuerklappen blockieren und unweigerlich wäre es um den Falken geschehen.
    Auch Kopernikus bemerkte, was geschah.
    »Nichts fürchtete meine Mutter mehr als diesen Rabenfedernsturm«, sagte er bitter. »Sie bezeichnete die Herrin von Malfuria immerzu als ihre Maestra . Sie sei einmal ihre Lehrerin gewesen. Damals, bevor sich alles verändert hatte.«
    Jordi starrte auf den Rücken des alten Mannes. Er verstand nicht, was Kopernikus ihm sagen wollte.
    Eine Wolke wütender Rabenfedern heftete sich an den Falken. Es sah so aus, als zögen ihn die Schattengebilde nach unten, als verlangsamten sie seinen Flug.
    »Meine Mutter hat versucht, ihre Maestra zu töten. Und ihre Maestra «, sagte Kopernikus, »hat versucht, sich an meiner Mutter zu rächen.« Er lachte bitter auf. »Beide sind sie gescheitert. Die eine wurde zu dem, was dort drüben den Himmel verdunkelt.« Er hustete und eines der Äderchen in seinem Gesicht platzte auf. »Und die andere . . .« Blut rann ihm in einem dünnen Rinnsal über die Wange. »Die andere . . .« Er stockte, berührte nachdenklich das Blut und betrachtete es an seiner knorrigen Fingerspitze.
    Finsternis streifte den Pájaro und ließ ihn taumeln.
    Kopernikus fluchte und brachte den Kolibri wieder auf Kurs.
    »Wer? Wer ist die andere?«
    »Meine Mutter?«
    »Ja.«
    »Sie war eine begnadete Malerin und schön obendrein. Sie hat Kaifas porträtiert und mich auch. Sie hat ein Bild gemalt, das sie Die Königin der Schatten nannte.«
    Jordi wusste nicht recht, wie er das einordnen sollte. »Ihr seid ihr Sohn? Ihr seid der Sohn von Kassandra Karfax?« Er versuchte sich zu erinnern, was er im Haus der Nadeln über Kassandra erfahren hatte.
    »Kassandra Karfax ist meine Mutter«, sagte Kopernikus und nickte. »Sie hat dies alles hier erschaffen. Sie hat damals getrennt, was nie hätte getrennt werden dürfen. Ihr Leben lang fürchtete sie sich vor der Maestra, die mit den Federn ihrer Raben zu etwas Neuem verschmolzen war. Solange La Gataza sich in dem Rabenfedernsturm aufhielt, konnte ihr niemand etwas anhaben. Aber sie würde schwach sein, verließe sie ihn. Nun ja, eigentlich konnte sie ihn nicht verlassen, weil der Sturm auch ihr Körper ist. Ohne die Rabenfedern, die sie allzeit wie ein Sturm umgaben, war sie schwach.«
    Das war es also, was in Lisboa geschehen war. »Jemand hat Malfuria verletzt.«
    Kopernikus nickte.
    Die Galeone schloss wieder zu ihnen auf, die Gebläsemaschinen kreischten. Silberaugenmatrosen standen bei den Harpunen am Bug und warteten darauf, dass die letzte Distanz aufgelöst wurde.
    Kopernikus drehte bei und ließ den Pájaro unter der Galeone hindurchfliegen.
    »Aber Malfuria ist am Leben.« Jordi suchte den Horizont nach dem Falken ab und entdeckte ihn. Die Rabenfedern kamen immer näher. »Wie kann es sein, dass der Sturm noch lebt?«
    Kanonenschüsse hallten durch die Hitze.
    »La Sombría«, mutmaßte Kopernikus, »sie hat sich seiner angenommen, wie sie es damals bei mir getan hat. Als die Herrin von Malfuria dem Tode nah war, da hat die Königin der Schattenstadt ihr ein

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