Die Königin der Weißen Rose
allein mein Blick ihn in Stein verwandeln, verkündet George, dass Isabel in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft krank ist: Erkranktan der Luft, verkündet er spitz, er werde sie vom Hof wegbringen.
«Vielleicht ist es so das Beste», sagt mein Bruder Anthony voller Hoffnung eines Morgens, als wir nach der Messe zurück in meine Gemächer gehen. Meine Damen folgen mir, nur Lady Margaret Stanley kniet immer noch in der Kapelle, behüt sie Gott. Sie betet wie eine Frau, die sich gegen den Heiligen Geist versündigt hat, dabei weiß ich genau, dass sie sich nichts vorzuwerfen hat. Sie gibt sich nicht einmal ihrem Gatten hin; ich glaube, sie ist gänzlich ohne Verlangen. Ich vermute, allein Ehrgeiz vermag dieses zölibatäre lancastrianische Herz zu rühren.
«Er sorgt dafür, dass jeder fragt, was Edward getan hat, um ihn so zu erzürnen. Er beleidigt euch. Er sorgt dafür, dass die Leute spekulieren, ob Prinz Edward seinem Vater ähnlich sieht. Wie könne man denn wissen, ob er wirklich dein Sohn ist, da er im Asyl geboren wurde, ohne ordentliche Zeugen. Ich habe Edward um die Erlaubnis gebeten, George zu einem Turnier herauszufordern. Er darf nicht so über dich reden. Ich will deinen Ruf verteidigen.»
«Was hat Edward gesagt?»
«Er meinte, es sei besser, ihn zu ignorieren, als seine Lügen dadurch zu unterstützen, dass man ihn herausfordert. Aber mir gefällt das nicht, denn er beleidigt dich und unsere Familie – auch unsere Mutter.»
«Das ist nichts im Vergleich zu dem, was er seiner eigenen antut», bemerke ich. «Er nennt unsere Mutter eine Hexe, doch die seine bezeichnet er als Hure. Er schreckt vor keiner üblen Nachrede zurück. Ich bin überrascht, dass seine Mutter ihm nicht den Mund verbietet.»
«Ich glaube, das hat sie getan, und Edward hat ihn unter vier Augen gerügt, aber er lässt sich durch nichts aufhalten. Er ist außer sich vor Gehässigkeit.»
«Wenn er nicht mehr am Hof ist, zischelt er wenigstens nicht mehr in den Ecken und weigert sich zu tanzen.»
«Wenn er sich nur nicht gegen uns verschwört! Sobald er weit weg in seinem Haus ist, umgeben von seinen Gefolgsleuten, wird Edward nicht erfahren, wen George zu sich ruft, bis seine Männer wieder auf dem Schlachtfeld stehen und Edward eine Rebellion am Hals hat.»
«Oh, Edward wird es erfahren», sage ich schlau. «Er hat sicher Männer, die George im Auge behalten. Selbst ich entlohne einen Diener in seinem Haushalt. Edward hat sicher Dutzende. Ich werde erfahren, was er im Schilde führt, bevor er es umsetzen kann.»
«Wer ist dein Mann?», fragt Anthony.
Ich lächle. «Um die Augen aufzuhalten, Dinge zu begreifen und zu berichten, braucht man nicht unbedingt einen Mann. Es ist eine Frau, und sie erzählt mir alles.»
Meine Spionin, Ankarette, schickt mir wöchentliche Berichte, und sie weiß zu erzählen, dass George tatsächlich Briefe aus Frankreich erhält, von unseren Feinden dort. Kurz vor Weihnachten schreibt sie über die sich verschlechternde Gesundheit seiner Gattin Isabel. Die kleine Herzogin bringt noch ein Kind zur Welt, ihr viertes, erholt sich jedoch nicht mehr und wendet wenige Wochen nach ihrer Niederkunft das Gesicht von dieser Welt ab und stirbt.
Ich bete mit tiefempfundenem Mitgefühl für ihre Seele. Sie war ein schrecklich unglückliches Mädchen. Ihr Vater Warwick hat sie verehrt. Er machte sie zur Herzogin, und dann dachte er, er könnte ihren Gatten zum König machen. Doch statt eines stattlichen yorkistischen Königs war ihr Gatte bloß ein mürrischer jüngerer Sohn, der nicht nur einmal abtrünnig wurde, sondern gleich zweimal. Nachdem sie ihr erstes Kind auf dem stürmischen Meer in demHexenwind vor Calais verloren hatte, bekam sie zwei weitere Kinder, Margaret und Edward. Sie werden jetzt ohne sie zurechtkommen müssen. Margaret ist ein munteres, kluges Mädchen, doch Edward ist von langsamer Auffassungsgabe, vielleicht sogar zurückgeblieben. Gott steh den beiden bei, jetzt, wo sie nur noch ihren Vater George haben. Ich schicke einen Beileidsbrief, und der Hof trägt Trauer für sie – Tochter eines bedeutenden Grafen und Gattin eines Herzogs von königlichem Geblüt.
JANUAR 1477
Wir trauern um Isabel. Doch kaum ist sie beerdigt – die Kerzen sind gerade ausgepustet worden –, da kommt George mit Plänen für eine neue Vermählung an den Hof stolziert, und dieses Mal hat er hohe Ziele. Charles de Bourgogne, der Gemahl unserer Margaret of York, ist in der Schlacht gefallen. Seine
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