Die Königin der Weißen Rose
sich da erhoben. Niemand wagte offen auszusprechen, dass sich der König zu weit herabgelassen hatte, aber ich weiß, dass überall um uns herum Männer standen, die genau das dachten und die auch weiterhin so denken werden. Doch der König hielt
sein Haupt hoch erhoben und schmetterte es freiheraus. Vater und ich gingen zu ihm und stellten uns an seine Seite, und unsere Brüder traten hinter uns. Niemand kann behaupten, wir wären keine gutaussehende Familie, oder jedenfalls keine groß gewachsene. Die Sache ist durch, jetzt kann sie niemand mehr leugnen. Du kannst Mutter erzählen, dass sich ihr gewagtes Spiel tausendfach ausgezahlt hat: Du wirst Königin von England, und wir werden Englands regierende Familie, auch wenn England uns nicht will.
Vaters Mund blieb fest verschlossen, bis wir uns vom Hof entfernt hatten, aber mir fiel doch auf, dass er die Augen verdrehte, bis wir zu unserer Herberge kamen und ich ihm erzählen konnte, was passiert ist und wie es vonstattenging – jedenfalls soweit es mir bekannt war. Nun ist er gekränkt, dass ihm niemand etwas erzählt hat, denn er wäre gut damit umgegangen und diskret gewesen. Aber da er nun Schwiegervater des Königs von England ist, wird er Mutter und Dir wohl verzeihen, dass Ihr nichts über Eure weiblichen Ränke gesagt habt. Deine Brüder betrinken sich und lassen anschreiben, wie es jeder tun würde. Lionel schwört, dass er Papst wird.
Dein frischgebackener Ehemann ist überwältigt von dem Streit, der über ihn hereingebrochen ist. Es wird schwer für ihn werden, sich wieder mit seinem ehemaligen Herrn und Meister, Lord Warwick, zu versöhnen, der heute Abend nicht mit ihm diniert und aus dem ein gefährlicher Feind werden könnte. Wir sollen mit dem König dinieren, seine Belange sind ab jetzt die unseren. Die Welt hat sich verändert. Wir Rivers sind unglaublich mächtig geworden. Wir sind jetzt leidenschaftliche Yorkisten, und Du kannst darauf wetten, dass Vater weiße Rosen in seiner Hecke pflanzen und immer eine an seinem Hut tragen wird. Du kannst Mutter sagen, welchen Zauber auch immer sie gewirkt hat, um dies alles
wahr werden zu lassen, die Bewunderung ihres verblüfften Ehemannes und ihrer Söhne ist ihr sicher. Wenn der Zauber nichts anderes war als Deine Schönheit, so bewundern wir auch diese.
Du wirst jetzt geladen, um bei Hofe vorgestellt zu werden, hier in Reading. Die königliche Order wird morgen versandt. Schwester, sei gewarnt: Bitte komm in bescheidener Tracht und mit einer kleinen Eskorte. Es wird den Neid nicht abwenden, aber wir sollten versuchen, alles nicht noch schlimmer zu machen, als es bereits ist. Alle Familien im Königreich sind unsere Feinde. Familien, die wir gar nicht kennen, werden unser Glück verfluchen und unseren Niedergang wünschen. Ehrgeizige Väter mit hübschen Töchtern werden Dir nie vergeben. Wir müssen für den Rest unseres Lebens auf der Hut sein. Du hast uns große Möglichkeiten eröffnet, aber auch große Risiken, meine Schwester. Ich bin der Schwager des Königs von England, aber heute Abend muss ich sagen, dass es meine größte Hoffnung ist, in meinem eigenen Bett zu sterben, in Frieden mit der Welt, als alter Mann.
Dein Bruder
Anthony
PS: Aber ich glaube, für die Zeit bis zu meinem friedlichen Ableben werde ich ihn bitten, mich zum Herzog zu ernennen.
Meine Mutter plant unsere Reise nach Reading und die Präsentation unserer Familie bei Hofe wie eine militärische Operation. Sämtliche Verwandten, die von unserem Aufstieg profitieren oder zu unserer Stellung beitragen könnten, werden aus allen Ecken Englands abkommandiert. Selbst unsere Burgunder Familie – Mutters Verwandtschaft – wird eingeladen, meiner Krönung in Londonbeizuwohnen. Sie findet, die Burgunder verleihen mir den königlichen Status, den wir brauchen. Außerdem sei es bei dem gegenwärtigen Zustand der Welt angeraten, mächtige Verwandtschaft zur Unterstützung oder als Zuflucht zu haben.
Sie stellt eine Liste begehrter Lords und Ladys als potenzielle Heiratskandidaten für meine Brüder und Schwestern zusammen und prüft, welche adligen Kinder als Mündel in unserer königlichen Kinderstube zu unserem Nutzen erzogen werden können. Sie versteht die Gesetze der Gunst- und Machtbezeigungen des englischen Hofes und weist mich ein. Sie kennt sich sehr gut aus. Bei ihrer ersten Eheschließung mit dem Duke of Bedford hat sie in die königliche Familie eingeheiratet. Damals war sie die zweite Lady im Königreich
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