Die Königin der Weißen Rose
nicht als Königin an der Erntedankmesse teil?»
«Er muss es zuerst Lord Warwick sagen», antworte ich. «Er muss es ihm erklären.»
«Lord Warwick wird
ihm
so einiges erklären», sagt mein Bruder unverblümt. «Er wird ihm erklären, dass kein König von England es sich leisten kann, eine Frau zu heiraten, die nicht aus dem Hochadel stammt und die noch dazu nachweislich keine Jungfrau mehr ist. Dass kein König von England eine Engländerin aus einer unbedeutenden Familie ohne Vermögen heiratet. Und dein teurer König wird ihm erklären, dass die Hochzeit weder von einem Lord noch von einem Gerichtsbeamten bezeugt wurde, dass seine neue Frau noch nicht einmal ihrer Familie davon erzählt hat, dass sie seinen Ring noch in ihrer Tasche trägt. Sie werden sich schnell einig sein, dass man diese Eheschließung ignorieren kann. Wie er es früher getan hat, so wird er es wieder tun, solange es dumme Frauen im Königreich gibt, das heißt bis an sein Lebensende.»
Ich sehe ihn an, und als er mein schmerzverzerrtes Gesicht sieht, hört er auf, mich zu verhöhnen. «Ach, Elizabeth, sieh mich nicht so an.»
«Es ist mir egal, ob er mich als seine Gemahlin anerkennt oder nicht, du Narr», brause ich auf. «Es geht mir nicht darum, Königin zu werden; es geht nicht einmal mehr um eine ehrenhafte Liebe. Ich bin für ihn geschaffen, ich bin verrückt vor Liebe nach ihm. Ich gehe zu ihm, und wenn ich barfuß laufen muss. Erzähl mir ruhig, ich sei eine von vielen. Es ist mir egal! Mein Name und mein Stolz sind mir nicht mehr wichtig. Wenn ich ihn noch einmal haben kann, wenn ich ihn nur noch einmal liebenkann! Ich will nur eins: ihn wiedersehen, wissen, dass er mich liebt.»
Anthony nimmt mich in die Arme und streichelt meinen Rücken. «Natürlich liebt er dich», sagt er. «Welcher Mann könnte dich nicht lieben? Und wenn nicht, ist er wahrlich ein Narr.»
«Ich liebe ihn», sage ich unglücklich. «Ich würde ihn auch lieben, wenn er ein Niemand wäre.»
«Nein, das würdest du nicht», widerspricht er zärtlich. «Du bist die Tochter deiner Mutter, durch und durch; nicht umsonst fließt das Blut einer Göttin durch deine Adern. Du wurdest zur Königin geboren, und vielleicht wendet sich ja alles noch zum Guten. Vielleicht liebt er dich tatsächlich und steht zu dir.»
Ich lege den Kopf in den Nacken, um sein Gesicht zu mustern. «Aber du glaubst es nicht.»
«Nein», antwortet er ehrlich. «Um die Wahrheit zu sagen, glaube ich, dass du ihn zum letzten Mal gesehen hast.»
SEPTEMBER 1464
Er schreibt mir einen Brief. Er spricht mich als Lady Elizabeth Grey an und nennt mich seine «Geliebte»; er sagt nicht «Ehefrau», ich habe also nichts in der Hand, womit ich unsere Eheschließung beweisen könnte, falls er sie leugnen will. Er schreibt, er sei beschäftigt, werde aber bald nach mir schicken lassen. Der Hof ist in Reading, er wird in Kürze mit Lord Warwick sprechen. Der Rat tagt, es gibt viel zu tun. Der verwirrte König Henry ist noch immer nicht gefangen genommen worden, er hält sich irgendwo in den Hügeln von Northumberland auf. Die Königin ist in ihre Heimat nach Frankreich geflüchtet, um dort um Hilfe zu ersuchen. Eine Allianz mit Frankreich ist jetzt wichtiger denn je, um die Königin von den französischen Ratsversammlungen auszuschließen und sicherzugehen, dass sie keine Verbündeten gewinnen kann. Er schreibt nichts darüber, dass eine französische Ehe ihm dies erleichtern würde. Er sagt, dass er mich liebt und sich nach mir verzehrt. Worte eines Liebenden, Versprechen eines Liebenden: nichts Bindendes.
Derselbe Bote überbringt meinem Vater die Aufforderung, sich am Hof in Reading einzufinden. Es ist ein Einheitsbrief, jeder Adlige im Land wird denselben bekommen haben. Meine Brüder Anthony, John, Richard, Edward und Lionel sollen ihn begleiten. «Schreib mir undberichte von allem», befiehlt meine Mutter meinem Vater, während wir ihnen beim Aufsitzen zusehen. Sie sind an sich schon eine kleine Armee, die stolzen Söhne meiner Mutter.
«Er wird uns rufen, um die Hochzeit mit der französischen Prinzessin bekannt zu geben», murrt mein Vater, als er sich herunterbeugt, um den Gurt unter der Sattelklappe nachzuziehen. «Eine Verbindung mit den Franzosen taugt zu nichts. Sie hat noch nie etwas getaugt. Doch wenn Margarete von Anjou zum Schweigen gebracht werden soll, muss diese Ehe zustande kommen. Eine französische Braut würde dich als Verwandte am Hof willkommen heißen.»
Meine Mutter
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