Die Königin der Weißen Rose
tun, und das kannst du. Jeder Dummkopf mit einem ehrlichen Herzen, einer intriganten Familie und einer gefüllten Börse kann das.»
«Viele werden mich hassen», fürchte ich. «Viele hassen uns.»
Sie nickt. «Also sorg dafür, dass du die Vergünstigungen bekommst, die du haben möchtest, und die Häuser, die du brauchst, bevor sie dem König etwas einflüstern», sagt sie schlicht. «Hohe Stellungen für deine Brüder gibt es nicht allzu viele; geeignete adlige Heiratskandidaten für deine Schwestern gibt es nicht zu Dutzenden. Sorg dafür, dass du im ersten Jahr alles bekommst, was du haben möchtest, dann bist du sicher und für alles gewappnet. Dann sind wir bereit für alles, was sich gegen uns wendet. Selbst wenn dein Einfluss beim König nachlässt, sind wir dann noch immer sicher.»
«Lord Warwick …», beginne ich nervös.
Sie nickt. «Er ist unser Feind.» Dies ist die Erklärung einer Blutfehde. «Beobachte ihn und misstraue ihm. Wir alle werden vor ihm auf der Hut sein. Vor ihm und vor den Brüdern des Königs: George of Clarence, der immer so charmant ist, und vor dem jungen Richard of Gloucester. Auch sie sind unsere Feinde.»
«Warum die Brüder des Königs?»
«Deine Söhne werden sie enterben. Durch deinen Einfluss wird sich der König von ihnen abwenden. Sie waren drei vaterlose Jungen; sie haben Seite an Seite für ihre Familie gekämpft. Edward hat sie die drei Söhne von York genannt; er hat ein Zeichen für die drei im Himmel gesehen. Aber jetzt wird er mit dir zusammen sein wollen, nicht mit ihnen. Und die Ländereien und Reichtümer, die er ihnen hätte zukommen lassen können, wird er nun dir und den Deinen zuteilen. George war Thronerbe nachEdward, und nach ihm kam Richard. Mit deinem ersten Sohn steigen sie um einen Platz ab.»
«Ich werde Königin von England», protestiere ich. «Bei dir hört es sich an, als sei es ein Kampf auf Leben und Tod.»
«Es ist ein Kampf auf Leben und Tod», erwidert sie schlicht. «Genau das bedeutet es, Königin von England zu sein. Du bist nicht Melusine, die aus einem Brunnen zu bescheidenem Glück aufsteigt. Bei Hof bist du nicht eine schöne Frau, die nichts zu tun hat, außer ein bisschen zu zaubern. Der Weg, für den du dich entschieden hast, bedeutet, dass du dein Leben mit Intrigen und Kämpfen verbringen wirst. Unsere Aufgabe als deine Familie besteht darin, sicherzustellen, dass du gewinnst.»
In der Düsternis des Waldes erblickte er sie und flüsterte ihren Namen, Melusine, und bei dieser Beschwörung stieg sie aus dem Wasser empor, und er sah, dass sie bis zur Taille eine Frau von kühler und vollendeter Schönheit war und darunter geschuppt wie ein Fisch. Sie versprach, zu ihm zu kommen und seine Frau zu werden, sie versprach ihm, ihn so glücklich zu machen wie eine sterbliche Frau, sie versprach ihm, ihre wilde Seite zu zügeln, ihre Gezeitennatur, und ihm eine gewöhnliche Frau zu werden, eine Frau, auf die er stolz sein könne. Im Gegenzug solle er ihr eine Zeitspanne gewähren, in der sie sie selbst sein könne, in der sie zu ihrem Element, dem Wasser, zurückkehren und die Fron des Frauenloses wegwaschen könne, in der sie – nur für kurze Zeit – wieder zur Wassergöttin werden könne. Sie wusste, dass das Dasein als sterbliche Frau hart zum Herzen und hart zu den Füßen ist. Sie wusste, dass sie Zeit für sich allein brauchte, im Wasser, Zeit, in der sich die Wellen auf ihrem schuppigen
Schwanz brechen würden. Er versprach, ihr alles zu geben, alles, was sie wolle, wie es verliebte Männer immer tun. Und sie vertraute ihm wider besseres Wissen, wie es verliebte Frauen immer tun.
Mein Vater und meine Brüder kommen uns zur Begrüßung aus Reading entgegen, sodass ich flankiert von meinen Verwandten in die Stadt einreiten kann. Menschenmengen säumen die Straße, und Hunderte sehen zu, wie mein Vater beim Näherkommen vor mir den Hut zieht, absitzt, sich vor mir in den Staub kniet und mich als Königin ehrt.
«Steh auf, Vater!», sage ich entsetzt.
Er erhebt sich langsam mit einer erneuten Verbeugung. «Daran musst du dich gewöhnen, Euer Gnaden», sagt er zu mir und senkt den Kopf bis zu den Knien.
Ich warte, bis er sich lächelnd aufrichtet. «Vater, mir gefällt es nicht, wenn du dich vor mir verneigst.»
«Du bist jetzt Königin von England, Euer Gnaden. Außer einem müssen sich von nun an alle Männer vor dir verneigen.»
«Aber du nennst mich immer noch Elizabeth, Vater?»
«Nur wenn wir allein
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