Die Königin der Weißen Rose
nur eine der vielen Ängste, die sie vor mir hat. Mit den Jahren istihre Meinung von mir nicht besser geworden. Sie wollte nicht, dass ich ihren Sohn heirate, und obwohl ich mich als fruchtbar erwiesen habe und ihm eine gute Ehefrau bin, hasst sie mich selbst heute noch. Ja, sie war so unhöflich zu mir, dass Edward ihr Fotheringhay überschrieben hat, um sie vom Hof fernzuhalten. Was mich angeht, mich beeindruckt sie nicht mit ihrer Frömmigkeit: Wenn sie so eine gute Frau ist, hätte sie George besser erziehen sollen. Wenn sie wirklich Gehör bei Gott finden würde, hätte sie nicht ihren Sohn Edmund und ihren Gatten verloren. Ich mache einen Knicks vor ihr, nachdem wir eingetreten sind, und sie erhebt sich, um ebenfalls vor mir zu knicksen. Mit einem Nicken bedeutet sie ihren Damen, sich mit ihrer Handarbeit ein Stück zu entfernen. Sie weiß, dass ich sie nicht besuche, um mich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen. Wir haben nichts füreinander übrig, und dabei wird es auch bleiben.
«Euer Gnaden», sagt sie ruhig. «Es ist mir eine Ehre.»
«Meine Frau Mutter», erwidere ich lächelnd. «Das Vergnügen ist ganz meinerseits.»
Wir setzen uns alle gleichzeitig, um das Thema zu umgehen, wer Vorrang hat, und sie wartet ab, was ich zu sagen habe.
«Ich mache mir große Sorgen um Euch», beginne ich freundlich. «Ihr macht Euch gewiss Gedanken um George, so weit weg von zu Hause, zum Verräter erklärt und um Haaresbreite mit dem Verräter Warwick gefangen gesetzt, von seinem Bruder und seiner Familie entfremdet. Sein Erstgeborenes tot, sein Leben in großer Gefahr.»
Sie blinzelt. Sie hat nicht erwartet, dass ich mich besorgt über ihren Liebling George äußere. «Natürlich wünschte ich, er wäre wieder mit uns versöhnt», antwortet sie vorsichtig. «Es ist immer traurig, wenn Brüder sich streiten.»
«Und jetzt höre ich, dass George sich sogar gegen seine eigene Familie wendet», sage ich kläglich. «Ein Abtrünniger … nicht nur gegen seinen Bruder, sondern auch gegen Euch und sein eigenes Haus.»
Sie sieht meine Mutter an, als erwarte sie von ihr eine Erklärung.
«Er hat sich mit Marguerite d’Anjou zusammengetan», erklärt meine Mutter unverblümt. «Euer Sohn, ein Yorkist, wird für den König von Lancaster in die Schlacht ziehen. Einfach schändlich.»
«Er wird gewiss geschlagen. Edward gewinnt immer», füge ich hinzu. «Und dann muss er als Verräter hingerichtet werden. Wie kann Edward ihn verschonen, selbst aus brüderlicher Liebe, wenn George unter den Farben Lancasters reitet? Man stelle sich nur vor, er stürbe mit einer roten Rose am Revers! Eine Schande für Euch! Was hätte sein Vater bloß dazu gesagt?»
Sie ist zutiefst entsetzt. «Niemals würde er Marguerite d’Anjou folgen», widerspricht sie. «Der größten Feindin seines Vaters!»
«Margarete von Anjou hat den Kopf seines Vater auf einer Lanze auf die Mauern von York gepflanzt, und jetzt dient George ihr», sage ich nachdenklich. «Wie kann einer von uns ihm das je verzeihen?»
«Ausgeschlossen!», entgegnet sie. «Er mag versucht sein, sich Warwick anzuschließen. Es ist hart für ihn, nach Edward immer an zweiter Stelle zu stehen, und …» Sie unterbricht sich, aber wir alle wissen, dass George neidisch auf jeden ist: auf seinen Bruder Richard, auf Hastings, auf mich und auf all meine Verwandten. Wir wissen, dass sie ihm den absurden Gedanken in den Kopf gesetzt hat, Edward sei ein Bastard und er, George, der rechtmäßige Thronerbe. «Und außerdem, was …»
«Was hat er davon?», füge ich geschickt hinzu. «Ich sehe, was Ihr von ihm haltet. In der Tat, er denkt nie an etwas anderes als an seinen Vorteil, niemals an Treue, sein Wort oder seine Ehre. Er ist ganz George und kein bisschen York.»
Bei diesen Worten errötet sie, doch sie kann nicht leugnen, dass George der selbstsüchtigste und verzogenste Junge ist, der je die Seiten gewechselt hat.
«Er dachte, wenn er sich auf Warwicks Seite schlägt, würde Warwick ihn zum König machen», erkläre ich offen heraus. «Dann haben sie festgestellt, dass niemand George zum König will. Nur zwei Menschen im ganzen Land glauben, George sei ein besserer Regent als mein Gatte Edward.»
Sie wartet.
«George selbst und Ihr», erläutere ich. «Dann ist er mit Warwick geflohen, denn er wagte es nicht, Edward gegenüberzutreten, nachdem er ihn erneut verraten hatte. Aber jetzt muss er feststellen, dass Warwick neue Pläne hat. Warwick wird George nicht auf den
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