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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Vaters und der Prophezeiung des Silberlöffels aus dem Fluss. Margarete von Anjou, deren Flotte weiterhin von Stürmen im Hafen festgehalten wird, schickt mir eine Nachricht, ich solle ihn John nennen. Sie will nicht noch einen Prinz Edward in England, der mit ihrem Sohn rivalisiert. Ich ignoriere ihre Worte, als kämen sie von einem Niemand. Warum sollte ich auf das hören, was Margarete von Anjou sagt? Mein Gatte hat ihn Edward genannt, und auch der Silberlöffel aus dem Fluss trug diesen Namen. Edward soll er heißen, Edward, Prince of Wales, soll er sein, selbst wenn meine Mutter recht hat und er niemals König Edward sein wird.
    Unter uns nennen wir ihn Baby, niemand nennt ihn Prince of Wales, und ich denke, als ich nach der Geburt einschlafe – ganz warm, den Neugeborenen in meinen Armen, halb benommen von dem Trank, den sie mir eingeflößt haben   –, dass dieses Kind vielleicht wirklich niemals König werden wird. Man hat keine Kanonen für ihn abgefeuert und keine Freudenfeuer entzündet. In den Springbrunnen und Wasserleitungen Londons ist kein Wein geflossen, die Bürger sind nicht trunken vor Freude, die Nachricht von seiner Geburt wird nicht eilends an die bedeutenden Höfe Europas geschickt. Es ist, als hätte ich ein ganz gewöhnliches Kind zur Welt gebracht, keinen Prinzen. Vielleicht wird er ein ganz gewöhnlicher Junge, undich werde wieder eine ganz gewöhnliche Frau. Vielleicht werden wir keine großen Menschen mehr sein, auserwählt von Gott, sondern einfach nur glücklich.

WINTER 1470/​1471
    Weihnachten verbringen wir in unserer Freistatt. Ein Londoner Metzger schickt uns eine fette Gans. Meine Söhne, die kleine Elizabeth und ich spielen Karten. Ich sorge dafür, dass ich eine silberne Münze an sie verliere und sie mit dem Hochgefühl der guten Spielerin zu Bett gehen kann. Auch den Vorabend des Dreikönigstages verbringen wir in unserem Asyl. Mutter und ich denken uns ein Spiel für die Kinder aus, mit Kostümen, Masken und Zauberei. Wir erzählen ihnen die Familiengeschichte über Melusine, die wunderschöne Frau, halb Mädchen, halb Fisch, die in einer Quelle im Wald gefunden wird und aus Liebe einen Sterblichen heiratet. Ich hänge mir ein Laken um, das wir an den Füßen zu einem langen Schwanz verknoten, und lasse mein Haar herab, und als ich mich vom Fußboden erhebe, sind die Mädchen hingerissen von der Fisch-Frau Melusine, und die Jungen applaudieren. Meine Mutter reitet auf einem Steckenpferd aus einem Besenstiel und einem papiernen Pferdekopf herein, sie trägt das Wams des Pförtners und eine Papierkrone. Die Mädchen erkennen sie nicht und sehen dem Spiel zu, als wären wir bezahlte Komödianten am elegantesten Hof der Welt. Wir erzählen ihnen die Geschichte der Werbung um die wunderschöne Frau, die halb Fisch ist, und wie ihr Liebster sie dazu überredet, ihre Quelle imWald zu verlassen und in der großen weiten Welt ihr Glück zu versuchen. Wir erzählen nur die halbe Geschichte: dass sie mit ihm zusammenlebt und ihm wunderschöne Kinder schenkt und dass sie zusammen glücklich sind.
    Natürlich steckt hinter der Geschichte noch mehr. Aber ich stelle fest, dass ich nicht an Liebesheiraten denken will, die in Trennung enden. Ich will nicht daran denken, dass ich eine Frau bin, die in der neuen, von Männern gemachten Welt nicht leben kann. Auch nicht daran, dass Melusine aus ihrer Quelle gestiegen ist und sich in ein Schloss zurückgezogen hat, während ich den Rückzug ins Asyl antreten musste. Dass wir Töchter von Melusine alle miteinander gefangen sind an einem Ort, an dem wir nicht gänzlich wir selbst sein können.

    Melusines sterblicher Gatte liebte sie, doch sie verwirrte ihn. Er verstand sie einfach nicht, und er konnte nicht mit einer Frau leben, die ihm ein Rätsel war. So ließ er sich von einem Freund dazu überreden, ihr nachzuspionieren. Er versteckte sich hinter den Vorhängen in ihrem Zimmer und sah sie in dem Wasser ihres Bads schwimmen, sah – mit Entsetzen – die Wellen auf ihren Schuppen funkeln, erfuhr ihr Geheimnis: dass sie, obwohl sie ihn liebte, von ganzem Herzen liebte, immer noch halb Frau und halb Fisch war. Er ertrug nicht, was sie war, und sie konnte nichts dafür, dass sie so war, wie sie war. Also verließ er sie, denn in seinem Herzen fürchtete er, sie sei eine Frau mit einer geteilten Wesensart – er begriff nicht, dass alle Frauen Geschöpfe von geteilter Wesensart sind. Er ertrug es nicht, an ihr Geheimnis zu denken und dass sie

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