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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ein Leben hatte, das ihm verborgen war. Er konnte die Wahrheit nicht hinnehmen, dass Melusine eine Frau war, die die unbekannten Tiefen kannte und in ihnen schwamm.
    Die arme Melusine, die sich so viel Mühe gegeben hatte, dem Mann, den sie liebte, eine gute Frau zu sein, musste zurück ins Wasser gehen, denn sie fand die Erde zu hart. Wie vielen Frauen gelang es auch ihr nicht, den Erwartungen ihres Mannes zu entsprechen. Ihre Füße schmerzten, sie konnte auf dem Weg, den ihr Gatte gewählt hatte, nicht gehen. Sie versuchte zu tanzen, um ihm zu gefallen, doch sie konnte die Schmerzen nicht ertragen.
    Sie ist die Ahnfrau des herzoglichen Hauses von Burgund, und auch wir, ihre Nachfahrinnen, versuchen, die Pfade der Männer zu gehen, und manchmal finden auch wir den Weg unerträglich hart.

    Ich höre, dass am neuen Hof ein fröhliches Weihnachtsfest gefeiert wird. König Henry ist wieder bei Verstand, und das Haus Lancaster triumphiert. Von den Fenstern unseres Asyls können wir die auf dem Fluss kreuzenden Barkassen sehen, als die Adligen sich von ihren am Fluss gelegenen Palästen nach Westminster begeben. Ich sehe die Barkasse der Stanleys vorbeifahren. Lord Stanley, der mir bei dem Turnier anlässlich meiner Krönung die Hand geküsst und gesagt hat, sein Motto sei
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, war einer der Ersten, die Warwick begrüßten, als er in England landete. Es hat sich erwiesen, dass er doch ein Lancastrianer ist; vielleicht wird er auf ihrer Seite
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sein.
    Ich sehe die Barkasse der Beauforts mit der im Heck flatternden Flagge des roten Drachen von Wales. Jasper Tudor, der mächtige Mann in Wales, lässt sich von seinem Neffen, dem jungen Henry Tudor, zum Hof begleiten, zum König, der sein Verwandter ist. Halb Vogelfreier, halb Prinz. Jasper wird wieder in die Burgen von Wales zurückkehren, und Lady Margaret Beaufort wird Tränen derFreude über ihren vierzehnjährigen Sohn, Henry Tudor, vergießen, daran zweifle ich nicht. Sie war von ihm getrennt worden, als wir ihn zu den Herberts gaben, guten yorkistischen Pflegeeltern, und sie die Aussicht ertragen musste, er könnte die Tochter des Yorkisten Herbert heiraten. Doch William Herbert hat in unseren Diensten sein Leben verloren, und Margaret Beaufort hat ihren Sohn wieder in ihre Obhut genommen. Sie wird versuchen, am Hof Gunstbezeigungen und Ämter für ihn einzuheimsen. Sie wird alles dafür tun, um durchzusetzen, dass er seine alten Titel wiederbekommt und dass man ihm sein Erbe garantiert. George of Clarence hat sich seines Titels und seiner Ländereien bemächtigt, seither wird sie dieses Anliegen in ihren Gebeten vorgebracht haben. Sie ist eine sehr ehrgeizige Frau und eine zu allem entschlossene Mutter. Ich bezweifle nicht, dass man George innerhalb eines Jahres die Grafenwürde aberkennt. Außerdem wird sie alles daransetzen, dass ihr Sohn in der lancastrianischen Erbfolge gleich nach dem Prinzen benannt wird.
    Ich sehe Lord Warwicks Barkasse, die schönste auf dem ganzen Fluss. Seine Ruderer halten den Takt der Trommler im Heck. Warwick fährt gegen die Strömung an, als könnte nichts sein Vordringen aufhalten, nicht einmal die Macht des Flusses. Ich kann ihn sogar erkennen, er steht im Bug des Schiffes, als würde er die Wasser des Flusses befehligen, er hat die Kappe abgesetzt und hält sie in der Hand, sodass der kalte Wind durch sein dunkles Haar fährt. Ich schürze die Lippen, um einen Wind herbeizupfeifen, doch dann lasse ich Warwick ziehen. Es spielt keine Rolle.
    Warwicks ältere Tochter Isabel sitzt womöglich händchenhaltend mit meinem Schwager George hinten in der Barkasse, als sie an meinem Gefängnis vorbeifahren.Vielleicht erinnert sie sich an das Weihnachtsfest, an dem sie als unwillige Braut an den Hof kam und ich freundlich zu ihr war, vielleicht zieht sie es aber auch vor, den Hof zu vergessen, an dem ich die Königin der weißen Rose war. George wird wissen, dass ich hier bin, die Frau seines Bruders, die Frau, die treu blieb, als er untreu wurde, und die jetzt hier in Armut lebt, im Halbschatten. Er wird wissen, dass ich hier bin; vielleicht spürt er sogar, dass ich ihn mit zusammengekniffenen Augen beobachte – diesen Mann, der einst George aus dem Hause York war und der jetzt ein begünstigter Verwandter am lancastrianischen Hof ist.
    Meine Mutter legt eine Hand auf meinen Arm. «Wünsch ihnen nichts Schlechtes», warnt sie mich. «Es kehrt zu dir zurück. Es ist besser zu warten. Edward wird kommen. Ich zweifle nicht

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