Die Königin der Weißen Rose
ergriffen, die er kennt, seit er als Junge zum ersten Mal in die Schlacht zog. Als sich die Lancastrianer durch die vordersten Reihen zu ihm durchpflügen, begrüßt er sie mit dem Breitschwert in der einen und der Axt in der anderen Hand. Die langen Übungsstunden fürs Tjosten, zu Fuß auf dem Turnierplatz, zahlen sich nun aus. Seine Bewegungen sind weich und fließend wie die eines Löwen: Stoß, Fauchen, Drehung, Ausfall. Immer neue Männer kommen auf ihn zu, aber er zaudert nicht. Er stößt zu, in ungeschützte Kehlen, und zieht das Schwert hoch bis unter den Helm. Einen Mann schlitzt er durch die ungeschützte Achsel auf. Einem anderen tritt er in die Leiste, und als das Opfer nach vorne klappt, zerschmettert er ihm mit der Axt den Schädel.
Sobald der Schock des Aufpralls die Yorkisten zurückwirft, stößt die Flanke unter Richards Kommando von der Seite vor. Es ist ein einziges Hauen und Stechen, eine gnadenlose Schlachterei um den jungen Herzog mitten im Kampfgeschehen, klein, bösartig, ein Mörder auf dem Schlachtfeld, ein Lehrling des Grauens. Die Entschiedenheit von Richards Männern bricht den Ansturm der Lancastrianer. Wie immer im Kampf Mann gegen Mann gerät die Schlacht ins Stocken, selbst die stärksten Männer müssen einmal Luft holen, aber in dieser Pause drängen die Yorktruppen vorwärts, angeführt von ihrem König undvon seinem Bruder Richard. Sie drängen die Lancastrianer zurück, den Hügel hinauf, zu ihrem Zufluchtsort.
Dann hört man Schreie, kaltes, grauenvolles Gebrüll entschlossener Männer aus dem Wald zur Linken, wo niemand versteckte Soldaten vermutet hätte. Und zweihundert Lanzenträger – dem Feind erscheinen sie wie zweitausend – kommen schwer bewaffnet, aber leichtfüßig auf die Lancastrianer zu. Ihnen weit voran der größte Ritter Englands, Anthony Woodville. Ihre Lanzen halten sie ausgestreckt vor sich, sie sind versessen auf ihr Ziel, und die lancastrianischen Soldaten halten inne und blicken auf vom Schlagen und Stechen, sehen die Lanzen, die auf sie zielen, sehen sie, wie ein Mann in einem Ungewitter Blitze sieht: Der Tod kommt zu schnell, sie können nicht mehr ausweichen.
Sie rennen trotzdem. Nichts zu tun ist ihnen unerträglich. Die Lanzen sausen auf sie herab wie eine einzige tödliche Waffe mit zweihundert Klingen. Sie hören das Pfeifen in der Luft, die Schreie, als sie ihr Ziel erreichen. Auf ihrer Flucht den Hügel hinauf geraten die Soldaten in vereinzelte Handgemenge. Richards Männer heften sich an ihre Fersen und stechen sie ohne Gnade nieder, dann werden sie von Anthonys Männern mit den Lanzen eingeholt. Die lancastrianischen Soldaten rennen zum Fluss, waten oder schwimmen hindurch oder werden von ihren schweren Rüstungen hinabgezogen, ertrinken im vergeblichen, im wahnsinnigen Kampf mit dem Schilf. Sie rennen zum Park, wo Hastings Männer sie einholen und auf sie einhacken wie auf Hasen bei der Ernte im Kornfeld, wenn die Sensenmänner einen Kreis um die letzten Weizenhalme bilden und die verängstigten Kreaturen abschlachten. Die Lancastrianer drehen ab und rennen zur Stadt, und Edwards Truppe jagt sie und metzelt sie nieder.Der Junge, den sie Prinz Edward nennen, Edward of Lancaster, Prince of Wales, ist unter ihnen, direkt vor den Stadtmauern. Sie stechen alle ab, mit blitzenden Schwertern und blutverschmierten Klingen, stechen hinein in ihr Gnadengewinsel, ohne Mitleid.
«Verschont mich! Verschont mich! Ich bin Edward of Lancaster, ich bin zum König geboren, meine Mutter …» Der Rest geht in einem Schwall von königlichem Blut unter, als ein Fußsoldat, ein einfacher Mann, dem Prinzen sein Messer in die Kehle sticht. So enden die Hoffnungen von Margarete von Anjou und das Leben ihres Sohnes und das Haus Lancaster – für die Beute eines hübschen Gürtels und eines kostbaren Schwerts.
Für den König ist das kein Sport, sondern ein hässliches, tödliches Geschäft. Edward lehnt sich auf sein Schwert, wischt seinen Dolch ab und sieht seinen Männern zu, wie sie Kehlen durchtrennen, Bäuche aufschlitzen, Schädel zertrümmern, Beine brechen, bis die lancastrianischen Soldaten heulend zu Boden gehen oder wegrennen, weit fort, und die Schlacht, zumindest diese Schlacht, gewonnen ist.
Aber es gibt immer ein Nachspiel, und es ist immer unschön. Edwards Freude am Schlachtgetümmel erstreckt sich nicht auf das Töten oder Foltern von Gefangenen. Er findet – im Gegensatz zu anderen Kriegsherren seiner Zeit – auch keinen Gefallen an
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