Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
aufgestellt ist. Wir sind bereit.
    «Bald», tröstet mich meine Mutter. «Edward kommt bald, und dann werdet ihr mitsamt eurem Baby wieder sicher sein.»
    Doch in der Nacht wird Alarm geschlagen, und wir springen aus unseren Betten. Ich packe das Baby, die Mädchen kommen zu mir gerannt. Anthony reißt die Tür des Schlafgemachs auf und ruft: «Seid tapfer! Sie kommen den Fluss herauf, es wird ein Feuergefecht geben. Haltet euch von den Fenstern fern.»
    Ich schlage die Läden zu und verriegele sie, ziehe den Vorhang um das große Bett zu, krieche mit den Mädchen und dem Baby hinein und lausche. Wir hören das Donnern des Geschützfeuers, das Pfeifen der Kanonenkugeln und dann die dumpfen Einschläge in die Wände des Towers. Elizabeth, meine älteste Tochter, sieht mich mit kalkweißem Gesicht und zitternder Unterlippe an und flüstert: «Ist das die böse Königin?»
    «Dein Vater hat die böse Königin besiegt, sie ist unsere Gefangene, genau wie der alte König», antworte ich. Ich denke an Henry in den Räumen unter uns und frage mich, ob irgendjemand daran gedacht hat, seine Lädenzu schließen und ihn von den Fenstern fernzuhalten. Es würde Neville recht geschehen und uns allen manche Scherereien ersparen, wenn er seinen eigenen König heute Nacht mit einer Kanonenkugel töten würde.
    Dann hören wir das Donnern unserer Kanone, und die Fenster erhellen sich kurz vom Feuer der Schüsse. Elizabeth fährt zusammen. «Das ist unsere Kanone, sie beschießt die Schiffe der bösen Männer», erkläre ich munter. «Das ist ein Cousin von Warwick, Thomas Neville. Er ist so dumm, dass er nicht weiß, dass der Krieg vorbei ist und wir ihn gewonnen haben.»
    «Was will er?», fragt Elizabeth.
    «Er will, dass alles wieder von vorne beginnt», sage ich bitter. «Aber dein Onkel Anthony wartet schon auf ihn. Er hat die Londoner Truppen auf den Mauern postiert, und all die Lehrlinge – die gerne mal kämpfen – stehen bereit, um die Stadt zu verteidigen. Bald kommt auch dein Vater wieder nach Hause.»
    Sie sieht mich aus ihren riesigen grauen Augen an. Sie denkt sich immer mehr, als sie sagt, meine kleine Elizabeth. Sie kennt ihr Leben lang nichts anderes als Krieg, auch jetzt vergisst sie nicht, dass sie eine Spielfigur auf dem Schachbrett England ist, dass man mit ihr schachern wird, dass sie einen gewissen Wert hat, dass sie immer in Gefahr war. «Und hört es dann auf?», fragt sie mich.
    «Ja», verspreche ich ihrem zweifelnden kleinen Gesicht. «Dann wird es aufhören.»

    Drei Tage werden wir belagert, drei Tage sind wir unter Beschuss, dann folgt der Sturmangriff der Kenter. Anthony und unser Verwandter Henry Bourchier, Earl of Sussex,befehligen die Verteidigung. Mit jedem Tag strömen mehr Mitglieder meiner ausgedehnten Sippschaft in den Tower – meine Schwestern mit ihren Männern, Anthonys Frau, meine ehemaligen Hofdamen   –, denn sie denken alle, dass man während der Belagerung dort sicher ist. Dann verkündet Anthony, dass wir genügend Offiziere und Männer für einen Gegenangriff haben.
    «Wie weit ist Edward weg?», frage ich nervös.
    «Als ich zuletzt von ihm gehört habe, war er noch vier Tagesmärsche entfernt», antwortet er. «Zu weit. Wir wagen es nicht, sein Eintreffen abzuwarten. Außerdem können wir sie allein schlagen.»
    «Was ist, wenn du verlierst?», frage ich unruhig.
    Er lacht. «Dann, Schwester Königin, musst du eine kriegerische Königin werden und die Verteidigung des Towers selbst in die Hand nehmen. Du kannst tagelang ausharren. Aber jetzt müssen wir sie zurücktreiben, bevor sie näher herankommen. Wenn sie den Belagerungsring enger um den Tower ziehen oder das Kanonenfeuer verstärken oder wenn sie, was Gott verhindern möge, irgendwie hereinkommen, könnte das dein Tod sein, bevor Edward nach Hause kommt.»
    Ich nicke. «Dann raus mit dir», sage ich grimmig. «Greif sie an.»
    Er verbeugt sich. «Du sprichst wie eine echte Yorkistin», sagt er. «Die Yorks sind samt und sonders ein blutdurstiger Haufen, auf dem Schlachtfeld geboren und aufgewachsen. Hoffen wir, dass sie sich nicht aus reiner Gewohnheit gegenseitig totschlagen, wenn wir mal Frieden haben.»
    «Erst brauchen wir Frieden, bevor wir uns Sorgen machen müssen, die York-Brüder könnten ihn verderben», entgegne ich.
    Mit Anbruch der Morgendämmerung ist Anthony bereit.Die Londoner Truppen sind bewaffnet und gut gedrillt. Die Stadt ist seit sechzehn Jahren im Krieg, jeder Lehrbursche hat eine Waffe und weiß

Weitere Kostenlose Bücher