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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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und geht in den Tower. Im Vorübergehen brüllt er dem Hauptmann zu, der Bürgermeister solle sofort geholt werden und er erwarte unverzügliche Berichterstattung über die Vorbereitungen im Tower.
    Die Stadtväter treffen ein und bestätigen, dass Thomas Nevilles Schiffe vor Kent liegen und dass er geschworen hat, den Marsch der Kenter zu unterstützen, indem er die Themse hochsegelt und London einnimmt. Wir habengerade eine dramatische Schlacht gewonnen und einen Jungen getötet, ihren Thronerben – wir sollten in Sicherheit sein, aber wir sind noch immer in Gefahr.
    «Warum sollte er das tun?», will ich wissen. «Es ist vorbei. Edward of Lancaster ist tot, sein Cousin Warwick ist tot, Margarete von Anjou ist in unserem Gewahrsam, und Henry ist als unser Gefangener hier im Tower. Warum liegen die Schiffe eines Neville vor Gravesend, und warum hofft er, London einzunehmen?»
    «Eben weil es nicht vorbei ist», erklärt meine Mutter. Wir gehen auf dem Wehrgang des Towers auf und ab, ich mit dem Baby im Arm, um frische Luft zu schnappen, die Mädchen laufen vor uns hin und her. Mutter und ich sehen hinunter zu Anthony, der das Hinausrollen einer Kanone, die Mündung flussabwärts gerichtet, überwacht und befiehlt, Türen und Fenster des White Tower mit Sandsäcken zu verstärken. Ein Stück den Fluss hinunter stapeln Männer in den Docks Sandsäcke auf und stellen Wassereimer bereit, falls Nevilles Kanonen die Speicherhäuser beschießen, während er den Fluss hochsegelt.
    «Wenn Neville den Tower einnimmt und Edward im Norden geschlagen wird, geht es wieder von vorne los», bemerkt meine Mutter. «Neville kann König Henry befreien. Marguerite kann sich wieder mit ihrem Gatten vereinigen, vielleicht bekommen sie sogar noch einen Sohn. Der einzige Weg, ihre Linie zu beenden, der einzige Weg, diese Kriege zu beenden, ist Henrys Tod. Den Erben sind wir ein für alle Mal los, jetzt müssen wir uns des Vaters entledigen.»
    «Aber Henry hat doch noch weitere Erben», sage ich. «Selbst wenn er einen Sohn verloren hat. Zum einen Margaret Beaufort. Das Haus von Beaufort lebt in ihrem Sohn weiter, in Henry Tudor.»
    Meine Mutter zuckt die Achseln. «Eine Frau», entgegnetsie. «Niemand nimmt all dies auf sich, um eine Königin auf den Thron zu setzen. Wer außer einem Soldaten wollte England halten?»
    «Sie hat einen Sohn, den Tudor.»
    Wieder zuckt meine Mutter die Achseln. «Für so einen Frischling wird niemand ins Feld ziehen. Henry Tudor spielt keine Rolle, er kann niemals König von England werden. Niemand würde für einen Tudor und gegen einen Plantagenet-König kämpfen. Die Tudors sind nur zur Hälfte königlich, und diese Hälfte entstammt auch noch einer französischen Königsfamilie. Er ist keine Bedrohung für dich.» Sie sieht an der weißen Mauer hinunter zu dem vergitterten Fenster, hinter dem der vergessene König Henry sich wieder seinen Gebeten widmet. «Sobald er tot ist, ist die Linie des Hauses Lancaster ausgelöscht, und wir sind alle in Sicherheit.»
    «Aber wer bringt es über sich, ihn zu töten? Einen hilflosen Mann, nur halb bei Verstand. Wer hat so ein hartes Herz, ihn zu töten, wo er doch unser Gefangener ist?» Ich spreche leise – seine Fenster sind direkt unter uns. «Er verbringt seine Tage auf den Knien am Betpult oder starrt stumm aus dem Fenster. Ihn zu töten wäre, als stäche man einen Narren ab. Manche halten ihn für einen heiligen Narren. Oder sogar für einen Heiligen. Wer würde es wagen, einen Heiligen umzubringen?»
    «Ich hoffe, dein Mann», sagt meine Mutter unverblümt. «Denn der einzige Weg, den englischen Thron abzusichern, ist der, ihm ein Kissen aufs Gesicht zu drücken und ihm zu ewigem Schlaf zu verhelfen.»
    Ein Schatten schiebt sich vor die Sonne, und ich drücke Baby Edward enger an mich, als wollte ich verhindern, dass er solche Worte hören muss. Ich schaudere, als sähe meine Mutter meinen eigenen Tod voraus.
    «Was ist?», fragt sie mich. «Frierst du? Sollen wir hineingehen?»
    «Es liegt am Tower», erwidere ich gereizt. «Ich habe den Tower schon immer gehasst. Und du sagst solche abscheulichen Dinge: einen Gefangenen, der sich nicht wehren kann, im Tower zu ermorden! Du solltest nicht über solche Dinge sprechen, schon gar nicht vor dem Baby. Ich wünschte, all dies wäre vorbei und wir könnten zurück in den Westminster Palace ziehen.»
    Von weit unter uns sieht mein Bruder Anthony zu uns hoch. Er bedeutet mir mit Gesten, dass die Kanone jetzt

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