Die Königin der Weißen Rose
vor unserer eigenen Armee. In diesem Rosenkrieg habe ich Männer von vielen Schlachten sprechen hören, und immer war von Heldentum die Rede, von Mut und Kameradschaft, von der grimmigen Wut der Schlacht und der Bruderschaft des Überlebens. Ich habe Balladen über große Schlachten gehört und Gedichte über die Schönheit eines Angriffs und die Tugend des Anführers. Aber ich habe nicht gewusst, dass Krieg nichts anderes ist als Abschlachten, so wild und primitiv, als schlitzte man einem Schwein die Gurgel auf und ließe es ausbluten, damit das Fleisch zarter wird. Ich wusste nicht, dass der vornehme Stil des Turnierplatzes nicht das Geringste gemein hat mit diesem Hauen und Stechen. Das hier war, alstöte man ein quiekendes Ferkel, nachdem man es durch den Schweinestall gejagt hat. Und ich wusste nicht, dass der Krieg die Männer so erregt: Sie kommen lachend nach Hause, wie freche Lausbuben nach einem gelungenen Streich, aber ihre Hände sind blutverschmiert und ihre Umhänge schmierig, ihre Haare riechen nach Rauch, ihre Gesichter grauenhaft verzerrt.
Jetzt verstehe ich, warum sie in Klöster einbrechen, Frauen vergewaltigen und das Asyl missachten, um die tödliche Hatz zu beenden. Ein wilder und grausamer Hunger bricht aus ihnen hervor, der mehr zu Tieren als zu Männern passt. Ich wusste nicht, dass Krieg so ist. Deswegen schelte ich mich eine Närrin. Schließlich bin ich in Kriegszeiten aufgewachsen, schließlich bin ich die Tochter eines ermordeten Kriegsgefangenen, die Witwe eines Ritters, die Gattin eines gnadenlosen Soldaten. Jetzt weiß ich es.
21. MAI 1471
Edward reitet vor seinen Männern her, er sieht aus wie ein ruhmreicher König, der nach Hause kommt, nicht die Spur einer Schlacht in seiner Haltung, an seinem Pferd oder auf seinem glänzenden Harnisch. Richard und George reiten neben ihm, gefolgt von meinen aufgeregten Söhnen. Die Söhne von York kehren heim, die drei vereint, und London ist außer sich vor Freude über ihre Rückkehr. Drei Herzöge, sechs Grafen und sechzehn Barone reiten mit ihnen, alles Yorkisten bis ins Mark, die Treue geschworen haben. Wer hätte gedacht, dass wir so viele Freunde haben? Ich sicher nicht, als ich im Asyl so gut wie gefangen war, als ich – in Dunkelheit und Angst alleingelassen – das Kind, den Erben all dieser Pracht, unter dem Herzen trug.
Als Letzte im Zug kommt Margarete von Anjou, blass und verbittert. Sie sitzt in einer Sänfte, die von Maultieren getragen wird. Sie haben sie zwar nicht an Händen und Füßen gefesselt und ihr auch keine Kette um den Hals gelegt, aber auch so versteht jeder, dass diese Frau geschlagen ist und sich von dieser Niederlage nicht mehr erholen wird. Ich nehme Elizabeth mit, als ich Edward am Tor des Towers begrüße, denn ich möchte, dass meine kleine Tochter diese Frau sieht, die ihr in ihren bisherigen fünf Lebensjahren so viel Schrecken eingejagt hat. Elizabethsoll sie besiegt sehen, damit sie weiß, dass wir alle sicher sind vor der Frau, die sie die böse Königin nennt.
Edward grüßt mich förmlich vor der jubelnden Menge, doch ins Ohr flüstert er mir: «Ich kann es kaum erwarten, mit dir allein zu sein.»
Aber er muss warten. Zum Dank für treue Dienste schlägt er halb London zum Ritter, und zur Feier des Aufstiegs der verdienstvollen Männer zu Edelleuten gibt es ein Bankett. In Wahrheit müssen wir für vieles dankbar sein. Edward hat erneut um die Krone gekämpft und erneut gesiegt, und ich bin noch immer die Gattin eines Königs, der noch nie eine Schlacht verloren hat. Ich flüstere ihm leise ins Ohr: «Ich auch nicht, Gemahl.»
Wir gehen spät zu Bett, in seinen Räumlichkeiten, als die eine Hälfte der Gäste betrunken und die andere vor Freude, sich wieder an einem yorkistischen Hof zu befinden, noch immer außer Rand und Band ist. Edward zieht mich an sich und nimmt mich, als seien wir frisch verheiratet, wie einst in der Jagdhütte. Ich halte ihn wieder in den Armen als den Mann, der mich aus der Armut gerettet und England von den ununterbrochenen Kriegen erlöst hat. Ich bin so froh, als er mich «Gemahlin, meine geliebte Gemahlin» nennt.
«Du hast mich gehalten, als ich Angst hatte, meine Liebste», flüstert er in mein Haar. «Dafür danke ich dir. Es war das erste Mal, dass ich ausziehen musste in dem Wissen, dass ich verlieren könnte. Mir war übel vor Angst.»
«Ich habe eine Schlacht mit angesehen. Eigentlich nicht einmal eine Schlacht, eher ein Massaker», berichte ich, die
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