Die Koenigin der Wolle
Laden. Ein anderer Grund für ihre Schweigsamkeit schien unlogisch, schließlich lief ihre Beziehung trotz der Belastungsprobe ganz wunderbar.
***
Am Tag nach Neujahr hatten Rose und Janice das Geschäft wieder geöffnet. Zu ihrem großen Erstaunen waren die Reporter und Fotografen ausgeblieben. Der Grund dafür war schnell gefunden - ein XYZ-Prominenter hatte sich über die Feiertage sehr schlecht benommen und dadurch das Interesse der Journaille auf sich gezogen. Die ersten dankbaren Kundinnen fanden sich zu ihrem üblichen Schwätzchen und ihren Einkäufen wieder ein. Es ging wieder bergauf! Janice hatte sogar eine neue Idee für einen Handarbeitskurs, den beide unbedingt so schnell wie möglich in die Tat umsetzen wollten.
Als Rose ein paar Tage später mit Alex bei ihrem Lieblings-Fish-and-Chips-Imbiss saß, hatte sie zum ersten Mal seit Wochen wieder richtig gute Laune. Ihr Hunger hatte unter der geschäftlichen Flaute und ihrem turbulenten Privatleben jedoch gelitten. Seit ihrem weihnachtlichen Gelage hatte sie kaum eine vollständige Mahlzeit zu sich genommen. Nicht einmal der goldgelb frittierte Fisch konnte daran etwas ändern. Sie selbst schob es auf ihren nervösen Magen. Schon Schularbeiten waren die Hölle gewesen, weil ihr die Aussicht darauf auf Tage den Appetit verdorben hatte. Noch dazu grassierte pünktlich zu Jahresbeginn eine Magen-Darm-Grippe, die sie mit absoluter Sicherheit mitgenommen hatte.
Alexander bemerkte mehrere Veränderungen an seiner Königin. Ihre lästige Magen-Darm-Grippe war nur eine davon. Sie schien seiner langsam überdrüssig zu werden, zog sich innerlich mehr und mehr von ihm zurück. Während sein Verlangen nach ihr unverändert groß war, wollte sie ihn seltener und nahm es ihm nicht übel, wenn er hin und wieder in seiner Londoner Wohnung übernachtete. Wenn sie ihn jedoch wollte, fühlte sich ihr Körper noch wärmer und weicher an als für gewöhnlich. Er wurde aus diesen Gegensätzen nicht schlau. Wahrscheinlich war Rosalinds Verhalten Teil des weiblichen Mysteriums, von dem man in den Zeitschriften beim Zahnarzt ständig las.
„Was machst du da?”
Rosalind saß frisch geduscht in ihrem Morgenmantel auf dem Wohnzimmerboden und betrachtete verschiedene schwarz-weiß-Abbildungen voller Punkte, Striche und Schraffierungen, die für Alexander nicht den geringsten Sinn ergaben. Er hockte sich neben sie und besah sich die Papierblätter.
„Janice wollte einen Stickzirkel veranstalten, ganz altmodisch wie bei Jane Austen. Lauter Frauen, die tratschen und ihren Handarbeiten nachgehen. Das hier sind antike Vorlagen, nur modern dargestellt. Die verschiedenen Muster bezeichnen die Farben, die man verwenden muss”, erklärte sie bereitwillig.
„Interessant. Für mich sieht das aus wie von Jackson Pollock designt.”
Sie lachte und legte das Blatt aus der Hand. „War mir klar.”
Durch die Bewegung war ihr Morgenmantel verrutscht und gewährte Alexander einen Blick auf ihre Brust. Er hatte in den vergangenen Monaten unzählige Male mit ihr geschlafen, trotzdem erregte ihn dieser Anblick noch immer. Seine Hand stahl sich über ihre zarte Haut.
„Nicht jetzt, bitte. Wenn ich mich nicht zusammennehme, kriege ich das hier nicht mehr fertig. Geh’ ruhig schon mal ins Bett, ich komm’ dann nach.”
„In Ordnung.” Alex stand auf und zog sich ins Schlafzimmer zurück. Wie mit ihren anderen Zurückweisungen gab sie ihm auch mit dieser wieder das Gefühl, ein alter Lüstling zu sein, der sich an ihrer Jugend vergehen wollte. Sie würde ihm ins Bett folgen, das wusste er, aber schlafen würde sie mit ihm auch in dieser Nacht nicht. Sie würde nicht einmal zulassen, dass er sie in seine Arme nahm.
***
Die kommenden Tage verbrachte Alexander in London. Eine Filmproduktionsfirma hatte ihr Interesse an einer Verfilmung seines letzten Krimis bekundet. Außerdem musste er sich mit seiner Lektorin treffen, um die Fortschritte an seinem Liebesroman zu besprechen. Die Abende verbrachte er, nach Geschäftsessen, Unterredungen und Verhandlungen, allein. Dabei hatte er genügend Zeit zum Nachdenken. Um seine Beziehung stand es bei näherer Betrachtung doch nicht zum Besten. Sie hatte durch die Reporter vor Weihnachten einen empfindlichen Dämpfer erhalten und sich davon nicht vollständig erholt. Er fühlte, dass er für seine Freundin zunehmend zum Klotz am Bein wurde und in ihrem Leben nach ihrem Laden immer nur die zweite Geige spielen würde.
Weitere Kostenlose Bücher