Die Koenigin der Wolle
Alexanders Bauch und lauschte seinem Herzschlag.
„Wenn du möchtest. Sieht so aus, als hätte ich ausgerechnet in den kommenden Wochen viel Zeit für Wohltätigkeit. Vielleicht verbessert das ja mein Karma.”
Alex konnte nicht über ihren Galgenhumor lachen. Es schmerzte ihn, zu sehen, wie schlecht der Laden seit dem Erscheinen dieser Schmierfinken lief. Der Strickkurs an diesem Abend hatte aus Rose, Janice und gerade einmal drei Frauen bestanden. Obwohl Janice und er einen Waffenstillstand geschlossen und einander das ‘Du’ angeboten hatten, spürte er deutlich ihre Sorge und Missbilligung, wenn sie mit ihm sprach.
„Weißt du, dass normalerweise gerade vor Weihnachten das Geschäft richtig brummt?”, riss Rosalind Alexander aus seinen Gedanken. „Die Großmütter stricken Socken für die Familie, in den Zeitschriften stehen Anleitungen, die alle nachmachen möchten, Kinder möchten ihre Mütter mit dem ersten selbst gestrickten Schal überraschen...” Weiter kam sie nicht. Ein Schluchzen schüttelte sie und Alexander gleich mit.
„Shshsh, das wird alles wieder. In ein paar Tagen ist der Spuk vergessen und deine Kunden trauen sich wieder in den Laden.” Er hoffte es. Er hoffte es wirklich und ehrlich. Ihm war klar, dass das Geld für Rosalind dabei nur eine untergeordnete Rolle spielte. Sie liebte ihren Laden und ihre Kunden, vermutlich sogar viel mehr als ihn. Der Verlust des Geschäfts würde auch sie zerstören.
Der Kundenzulauf blieb weiterhin verhalten. Die Frauen, die sich in den Laden trauten, taten das mit einer gehörigen Portion Unsicherheit. Diejenigen, die sich für die abendlichen Kurse angemeldet hatten und auch tatsächlich erschienen, blieben in der Unterzahl. Rosalind hatte also genügend Zeit, als Alexanders Begleiterin sämtliche Wohltätigkeitsgalas Londons zu besuchen und sich bestaunen zu lassen. Um den Neidern und Gaffern ein Schnippchen zu schlagen, hatte er sich jedoch etwas angewöhnt, das sie zunehmend ärgerte - er führte sie vor wie ein Rassepferd auf einer Ausstellung. Alle, die es wissen wollten, durften sich anhören, wie glücklich sie miteinander waren. Die leisen Zweifel, die sie diesbezüglich beschlichen, tat sie als Reaktion auf die journalistische Belagerung ab. Ihre Nerven waren seit Wochen angespannt.
***
Weihnachten verbrachten Rosalind und Alexander mit Rosalinds Familie. Das Fest war laut und ausgelassen, schließlich wollte die Geburt des Heilands gebührend gefeiert werden. Für Alexander war es die Gelegenheit, den Rest der Fieldings kennen zu lernen. Maeve Fielding war eine freundliche Frau, die es aufgegeben hatte, sich an der Partnerwahl ihrer Kinder zu stören. Sie begegnete dem Schriftsteller mit Wohlwollen und einer Gastfreundschaft, die er nicht erwartet hatte. Rosalinds Brüder Laertes, Orlando und Jaques ließen allesamt die große Familienähnlichkeit erkennen. Alle trugen welliges rotes bis rotbraunes Haar in den unterschiedlichsten Haarlängen, hatten hier und da Sommersprossen und scheinbar unverwüstliche gute Laune. Keiner der Brüder schien auf Schlägereien aus zu sein, zu Alex’ großer Erleichterung. Jaques schien zudem äußerst erfreut darüber, dass endlich jemand seinen Namen richtig aussprach. Desdemona Fielding war mit dreißig Jahren die Jüngste in der Familie, zwei Jahre jünger als Rosalind. Bei ihrem Anblick stockte Alexanders Atem, wie schon zuvor bei Duncan. Sie war ebenso hoch gewachsen wie Rose, allerdings noch zarter und feingliedriger. Ihre Haut war weiß wie Alabaster, ihr Haar hüftlang und ebenso rot wie das ihrer Schwester, nur trug sie es, wie Duncan an diesem Abend, offen. Dass sie einen beachtlichen Verschleiß an Männern haben sollte, konnte er gut nachvollziehen. Sie war eine Erscheinung - ätherisch und verlockend. Die Kerle mussten hinter ihr her sein wie der Teufel hinter der armen Seele. Es war lustig, dass alle Familienmitglieder sie zwar mit ihrem vollständigen Namen ansprachen, sie hinter ihrem Rücken aber vollkommen ungeniert ‘Desi’ nannten. Obwohl Alexander für gewöhnlich Weihnachten ohne Feierlichkeiten in Frankreich verbrachte, musste er zugeben, dass eine Familienfeier wie die bei den Fieldings durchaus angenehm war, wenn man sich erst an den Geräuschpegel gewöhnt hatte. Ihm entging allerdings auch nicht, dass Rosalind stiller war als gewöhnlich und ihn immer wieder grübelnd betrachtete. Er schob diesen Umstand auf ihre derzeitige Situation und die Sorge um ihren
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