Die Koenigin der Wolle
betrübte. Es half nichts. Er würde am kommenden Abend aus London zurückkehren. Dann würde sie es ihm sagen müssen.
„Na sag’ schon, was ist los?” fragte Janice neugierig.
„Nix. Alles in Ordnung.” Rosalind winkte ab. Das Ultraschallbild in ihrer Tasche fühlte sich an, als würde es Tonnen wiegen.
„Du lügst. Bist du krank?”
„Bin ich nicht. Nicht jetzt, Jan. Wir reden später darüber.” Sie gab sich Mühe, nicht so bedrückt zu klingen wie sie sich fühlte.
***
Das Abendessen war schweigend vonstatten gegangen. Beiden drückte das, was sie zu sagen hatten, auf der Seele. Letztendlich war es Alexander, der das Wort ergriff.
„Wir müssen reden.”
Rose nickte stumm.
„Ich hatte viel Zeit, nachzudenken. Das mit uns beiden geht so nicht weiter. Du scheinst dich in dieser Beziehung nicht mehr wohl zu fühlen. Ich mich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht sind wir zu verschieden oder zu viele Jahre trennen uns, aber auf Dauer passen wir nicht zusammen. Wir sollten uns trennen, bevor wir uns das Leben mit gegenseitigen Vorwürfen zur Hölle machen.” Seine Hände zitterten leicht. In diesem Moment hätte er alles für einen hochprozentigen Drink gegeben.
Rosalind nahm seine Ansprache äußerlich ungerührt zur Kenntnis. Innerlich brach sie jedoch zusammen. Er verließ sie. Ausgerechnet jetzt. Ihm von dem Kind zu erzählen, würde bedeuten, ihn an eine Frau binden, die er nicht mehr wollte und eine Verpflichtung einzugehen, die ihm lästig sein würde. Sie würde auch ohne ihn zurechtkommen. Millionen Frauen schafften sowas. Ein Ende mit Schrecken...
„Wenn das so ist, möchte ich dich bitten, jetzt zu gehen. Deinen Schlüssel kannst du auf die Flurgarderobe legen. Es war schön mit dir, Alexander.” Sie klang kalt und gleichgültig, als sie ihm zum Abschied die Hand reichte. Erst als er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, brach sie in Tränen aus.
***
Janice klappte am Morgen die Kinnlade herunter, als sie Rosalind zu Gesicht bekam. Das Häufchen Elend, das da blass und mit geröteten Augen den Laden betrat, sah so gar nicht nach ihrer fröhlichen und selbstbewussten Freundin aus.
„Was ist denn mit dir passiert?” fragte sie geschockt. Dieser Anblick bereitete ihr Sorgen. Was, wenn Rosie tatsächlich krank war?
Rosalind lege wortlos das Ultraschallbild auf den Tresen. Janice beäugte es misstrauisch.
„Was ist das - ein Tumor?”
„Ein Kind.”
Janice pfiff ganz undamenhaft durch die Zähne. „Er will es nicht, stimmt’s?”
„Er weiß es nicht.” Rosalind schniefte. Wenn die Tränen einmal begonnen hatten, zu laufen, ließen sie sich nicht mehr aufhalten. „Er hat unsere Beziehung beendet, bevor ich ihm davon erzählen konnte.” Ein weiteres Schniefen. „Jan, ich fühle mich so elend!”
„Ist doch gut, kleine Rosie.” Janice nahm Rosalind in die Arme und wiegte sie leicht hin und her. „Du hast eine riesige Familie voller Babysitter, Eltern, die sich seit Jahren Enkelkinder wünschen, und du hast mich. Gemeinsam packen wir das ohne Probleme und ohne Schriftsteller. Mach’ dir keine Sorgen und freu’ dich stattdessen.” Als Rosalind nicht antwortete, setzte sie zum Scherz hinzu: „Schau’ dir Duncan an, der ersetzt locker zwei Väter! Und wie ich Claudio kenne, wird er jede Gelegenheit nutzen, sich mit dem Knirps auf Spielplätzen herumzutreiben, um Frauen aufzureißen.”
Rose musste lachen - beides klang wirklich sehr nach ihren großen Brüdern.
***
Janice und ihre Zuversicht halfen Rosalind dabei, die folgenden Wochen zu überstehen. Sie konnte sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, eine dauerhafte Erinnerung an ihre Zeit mit Alexander mit sich herumzutragen. Sie verdrängte diese Tatsache völlig, solange, bis sie sich nicht mehr vor ihren Kundinnen verbergen ließ. Anfangs überforderten sie die Glückwünsche und Erkundigungen nach dem Verlauf der Schwangerschaft. Erst die erfreuten Reaktionen ihrer Familie weckten eine leise Freude auf ihr Kind. Alexander Sterlings Kind.
„Du hättest es ihm sagen sollen, Rosie”, befand ihr Vater wieder einmal, als er es sich auf seinem Lieblingssessel im Laden gemütlich gemacht hatte und ein Stück frisch gebackenen Apfelkuchen verdrückte. Seine Tochter war in den vergangenen Monaten noch schöner, aber auch sehr viel ruhiger geworden. Die Trennung von diesem alten Knaben hatte ihr sichtlich zugesetzt - Kind hin oder her.
„Hätte ich nicht. Nicht
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