Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
Vom Netzwerk:
sagte Duncan, nur dass die Kundschaft diesmal eine investigative Reporterin gewesen sei. Duncan hatte Grund zur Freude, die Reporterin war seine Entdeckung gewesen, und die Tollpatschigkeit des überführten Mandatars erheiterte ihn.
    Seine Hochstimmung müsste ich doch nutzen können; ich gratulierte ihm zu seiner erfolgreichen Mitarbeiterin und versuchte verzweifelt, mich an den Namen der Zopfträgerin zu erinnern, während Duncan ins Schwärmen kam: Ein nettes kleines Nebenprodukt einer anderen Recherche sei das gewesen, einen ganz anderen Anschluss habe man angezapft. Als ich ungläubig schaue, sagt er: Abgehört, Voicemail gehackt, was glaubst du. Das staatliche Abhörmonopol ist längst gefallen, sagte er und lachte, aber sag es nicht zu laut.
    Dann nahm ich einen Anlauf. Ich stellte fest, dass man einen solchen Mann nicht in die Nähe der Kinder lassen könne; den?, fragte er und hielt das Cover mit dem ertappten Senator theatralisch in die Höhe, und ich konnte endlich lachen und die Sache richtig stellen: den Jägermeister. Den Jägermeister, sagte ich noch einmal (tatsächlich nannte ich den Mann beim Vornamen, doch der ist mir längst entfallen), könne er doch nicht in die Nähe der Kinder lassen wollen. Und er sah mich endlich an und sagte, dass ich das alles falsch verstünde, völlig falsch.
    Ich stand nur und starrte, das ist meine Erinnerung; ich hätte ein verächtliches Pfeifen von mir gegeben, meinte Duncan später an dem Abend, wie er es noch nie von mir gehört habe und hoffentlich auch nicht mehr hören müsse, dabei lächelte er schmerzlich, wie auch immer: er legte die Papiere endlich weg, stand auf und griff nach meinem Arm. Ich entzog mich und warf mich auf die Couch, ganz zufrieden mit meinem unterkühlten Zorn.
    Aber sicher, sagte ich. Ich höre. Irgendwer müsse immer zahlen, sagte er. Dann erzählte er etwas von operativen Einsatzgebieten und Frontverläufen und seiner Position darin, und von Loyalität, um die ging es vor allem, und auch wenn er wisse, dass Loyalität dort aufhöre, wo die eigenen Interessen anfangen, gäbe es doch Grenzen, und so weiter, und ich sah aus dem Fenster, wischte mir den Feuchtigkeitsfilm von der Oberlippe und sagte, er solle endlich auf den Punkt kommen, einen Punkt machen, und er war nicht einmal böse, er schien ein Bedürfnis danach zu haben, sich zu erklären. Er legte die Hand auf meine, beiläufig, leicht, und ich ließ mich beschwichtigen und betrachtete die Bügelkante des Wollstoffs der Hose, der natürlich nie gebügelt wurde, dampfgepresst, nehme ich an, in einem speziellen Anzugsglättungsverfahren eines darauf spezialisierten Reinigungsunternehmens: auch dieser Oberschenkel zweigeteilt wie der ganze Mann. Duncan starrte versonnen in Richtung Kamin, in dem allerdings nur malerisch drapierte Holzscheite ganz unentflammt herumlagen, und seufzte.
    (Am Bildschirm erläuterte soeben ein anhand seiner Kragengestaltung als katholischer Priester erkennbarer Mann seiner Interviewpartnerin, einer ebenso eleganten wie eloquenten jungen Frau mit dunkler Haut und kurzgeschorenen Haaren, warum der staatlich induzierte Tod eines Mörders bejubelt werden dürfe. Dass man sich gerade als Christ über das Ende des Bösen freuen dürfe. Von Rachegedanken hingegen solle man sich als gläubiger Mensch fernhalten, sie stimmte ihm zu und dankte ihm. Diese Begeisterung für die Todesstrafe hierzulande habe ich nie verstanden. Diesen Glauben an die Wiederherstellung des Gleichgewichts, des unversehrten Weltzustandes vor der Tat.)
    Dann wieder: Loyalität. Dass Loyalitätsaufbau Zeit brauche, und Loyalität demnach zeitabhängig und dass er selbst der letzte wäre, der nicht wisse, dass man zuallererst sich selbst verpflichtet sei. Ich stellte fest, dass der nächststehende Baum austrieb, ein Zimtrindenahorn, dessen rötliche Herbstfärbung mich allerdings enttäuscht hatte: nicht so spektakulär, wie die Gärtnerin versprochen hatte, die Bäume, glaube ich mehr und mehr, sind das einzige, das mir wirklich ans Herz gewachsen ist.
    Der Mann (er sprach vom Jägermeister) habe nur Material besorgt. Ja, sagte ich, das habe ich gesehen; gesehen vielleicht, entgegnete Duncan, doch nicht begriffen, und ungeduldig drückte er seine rundgefeilten Nägel mit einer schnellen feinen Bewegung in meine Haut, vielleicht bemerkte er es nicht, jedenfalls tat er so, als ob nichts gewesen sei. Das konnte ich auch so halten: Und das Material dann gründlich überprüft, vermute ich. Ganz

Weitere Kostenlose Bücher