Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
gibt mir ein ordentliches Maß an Sicherheit.
Er brachte mir ein Fahrrad mit, einen Hometrainer, den ich im Schlafzimmer aufstellte: der Blick durch das riesige Fenster auf den struppigen Dünenbewuchs hinter der Gartengrenze ist von dort am schönsten. Ich weiß schon, er will mich davon abhalten, an den Strand zu gehen, doch ich besuche weiterhin Quallen, Kleidungsstücke, einen kleinen toten Wal, der im Lauf der Zeit von den Möwen skelettiert wird, alles, was das Meer so anspült, und manchmal bringe ich den Kindern etwas mit aus dem Schwemmgut, das ihnen gefallen könnte: Schneckenhäuser, Weichtierschalen. Kleintierschädel sind rar. Manchmal lese ich ihnen aus Kinderbüchern vor. Keiner meiner Schuhe ist übrigens zurückgekommen.
Duncan war es wichtig zu wissen, dass es einen Ort gab, an dem er uns finden konnte, und alle paar Wochen findet die einvernehmliche Beziehungsarbeit statt. Und wenn ich mich periodenmäßig entschuldige, scheint ihn das nicht sonderlich zu stören. Im Unterschied zu Alexander ist er da heikel, die Vorstellung von Blut zwischen unseren Körpern stößt ihn ab.
Auch wenn der körperliche Anteil nicht allzu groß war: ich mochte es, Duncans nicht unansehnlichen zähen Körper zu umarmen und an mich zu drücken (die altersbedingt ein bisschen zu weite Haut, die wie ausgedehnt und nicht ganz zurückgeschrumpft über den dünnen drahtigen Muskelsträngen lag), nur kann ich im Nachhinein nicht sagen, dass dabei mehr berührt worden wäre als meine Körperoberfläche, meine Hände, mit denen ich über den stetig zunehmenden Flaum an seinem Rücken fuhr, meine Schleimhautauskleidung, meine Darmwand, denn mit der Zeit fand er Gefallen daran, mir das eine oder andere Objekt in den Hintern zu schieben. Der Schmerz frisst sich hinterhältig das Rückgrad entlang. Kein Wunder: Oralsex ist ausgereizt, macht ja mittlerweile so gut wie jede. Oder, wie eines der Magazine für die gehorsame Frau schreiben würde: Anal ist das neue Oral. Aber mit meiner Gehorsamkeit ist es nicht weit her, das habe ich ihm nur nicht verraten.
Von allen Orten, an denen ich theoretisch hätte wohnen können, war mir das Haus am Meer am liebsten. Ich war dort tatsächlich nicht allein. Das ständige Rauschen gab mir ein Gefühl von Vertrautheit: windumschlossen, schalldicht abgetrennt von der Außenwelt in meinem sandigen Windauge, dessen Grenze nur von den Fahrzeugen anderer durchbrochen wurde, ich war nicht allein: Kindermädchen Butler Chauffeur Koch Gärtnerin Hausmädchen und bestimmt noch ein paar andere, die ich vergessen habe, sie alle kamen und gingen und wurden von den Sicherheitsleuten dabei kontrolliert. Und die wechseln so häufig, sehen eigentlich auch immer gleich aus, so dass sie mir vorkommen wie eine einzige Einheit, ein einziger Sicherheitskörper mit ausgreifenden Tentakeln. Ein Chauffeur brachte die Kinder (die innerhalb von zwei Jahren beide die Schulpflicht erreichten) in eine nicht allzu weit entfernte Schule, und hier war endlich meine Tätigkeit gefragt: ich fuhr verschiedene in Frage kommende Bildungsinstitutionen ab, ich suchte aus, auch wenn Duncan schon längst festgelegt hatte, welche davon seinen Sicherheitsanforderungen entsprachen, und am Ende blieb eine einzige, die noch in vertretbarer Zeit zu erreichen war. Ich nutzte also den Handlungsspielraum und sprach noch einmal mit der Direktorin, die mich königlich empfing und eine großzügige Spende erwarten durfte: da konnte noch etwas nach Duncan benannt werden. Ich besuchte sie überhaupt, so oft es ging, dabei war sie mir nicht einmal sympathisch, auch wenn ich durchaus anerkannte, dass sie ihre Sache nicht schlecht machte. Irgendwas gab es immer zu besprechen.
Ich hätte natürlich auch all den anderen Tätigkeiten nachgehen können, die mir offenstanden: Ausgestaltungsarbeit, Ausbesserungsunternehmungen, an mir und am Haus, doch das interessierte mich nicht. Schulfeste waren Höhepunkte, bei denen ich Bazare mit von unserem Koch selbstgemachten Süßspeisen bestücken konnte und im Verkauf tätig wurde. Ersteres wurde zunächst mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, da ich jedoch beim Verkaufen und im Fundraising ein solches Talent an den Tag legte, wurde stillschweigend und großzügig über den von mir naiverweise erwähnten Umstand hinweggesehen, dass ich patisserietechnisch nicht ganz den erwartbaren Mutterpflichten nachgekommen war. (Ich hatte ja doch nicht so unrecht mit meiner Vermutung, dass ich in einem Berufsfeld, das
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