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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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schlägt ganz von selbst Wellen, und ich frage mich, warum ich nicht gleich begriffen habe, in welchem Setting hier gespielt wird. Die Umgestaltungsmaßnahmen waren nur oberflächlich, ein Bücherregal entfernt, das schon, Bilder an den Wänden, die ich nicht kenne und die auch nicht den Eindruck erwecken, als seien sie mehr als bloße Ruhepunkte in einer kahlen Fläche, deren Farbe allerdings neu ist. Das Licht kenne ich: der angeschnittene Winterlichteinfall ist immer noch derselbe im 68. Stock. Das wohltemperierte Betriebsklima ist mit bloßen Händen zu greifen.
    Die Kinder (diesseits des Schirms) werden ausgehfertig gemacht, hinter mir; ich höre ihre Stimmen, die gegen die viel zu warme Bekleidung protestieren.
    Und Duncan greift nach Alexanders Oberarm, als der sich nach etwas streckt (der Marmeladenrequisite). Einen Sekundenbruchteil lang entgleist Alexanders Gesicht, denke ich, aber vielleicht ist das nur Wunschdenken, stellvertretend für mich soll Alexander zusammenzucken, das weiß ich schon, doch eines ist sicher zu erkennen: die Ungeduld des Protegés (wildwucherndes Unterholz).

14
    Dann hatten wir noch eine recht schöne Zeit miteinander. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, aber auch mit meinem heutigen Wissen muss ich sagen, die Zeit war nicht schlecht. Er zeigte sich öfter im Fernsehen als zuvor, und diese Änderung seiner Gewohnheiten begründete er damit, dass er nichts mehr beweisen müsse, nicht einmal mehr Zurückhaltung. Und dass ihm das einfach Freude mache, seinen Geist und seine Schnelligkeit zu trainieren. Ich vermied es, seine Auftritte anzusehen, und nur selten fiel ihm das auf, er ließ mich allerhöchstens eine leise Verwunderung darüber spüren, doch ich begründete meine Medienabstinenz mit allgemeiner Müdigkeit, und das war nicht einmal gelogen. Keine Lust mehr auf Nachbarschaftsschießereien und Massaker in staubigen Ländern mit hoher Rohstoffkonzentration. Er blühte auf, das muss ich sagen, das Nuscheln gelang ihm eleganter denn je.
    Duncan zeigte sich nicht einmal sonderlich beunruhigt über die jüngsten Vorgänge in seiner Heimatstadt. Dass die Polizei einen jungen Schwarzen erschossen hatte bei irgendeinem Antidrogeneinsatz war nun wirklich nichts Ungewöhnliches, und niemand hätte gedacht, dass ausgerechnet sein Begräbnis mehr Folgen haben würde als ein paar Steine auf die Ordnungskräfte, die sich unter Stuarts neuer Führung aber nicht einmal über Gebühr provozieren ließen. Warum die rituelle Zerstörungswut im Anschluss daran diesmal auf benachbarte Stadtgebiete übergriff und der Plünderungscharakter mehr und mehr in den Vordergrund trat, ließ sich nicht klären. Fest steht, dass die Plünderungen schließlich auf das Stadtzentrum ausgeweitet wurden, was vom wirtschaftlichen Standpunkt her betrachtet durchaus sinnvoll war (ein Sekundärhandelssektor mit dem Beutegut wurde in Windeseile aufgezogen, und das Dokumentieren dieser Vorgänge forderte Todesopfer in den journalistischen Reihen). Als die Ruhe wiederhergestellt worden war, blieb an den Straßenrändern der Goldcoast ein Saum von Glasbruchstücken zurück, den ich allerdings nicht persönlich in Augenschein nahm, doch die Bilder waren eindrucksvoll: Goldsplitter, Sternenstaub, der innerhalb weniger Tage verschwunden war.
    Ich verstand, so meinte ich, dass die Härte niemals Selbstzweck war, sondern dass Duncan einfach nur konsequent bereit war, seiner Funktion gerecht zu werden. Der Ruf nach einem Militäreinsatz war übrigens nicht nur auf Duncans Sendern erhoben worden. (Er erwähnte noch, dass für das Frühstückstreffen nicht zufällig der Turm als Kulisse gewählt worden sei: Beweis genug für die ungebrochene Kontrolle über die Lage.) Funktionsmäßig entsprach Duncan nämlich durchaus meinen Erwartungen, und dass ich schon vor einiger Zeit damit begonnen hatte, das Funktionsmäßige an den Funktionsträgern zu sehen, war mir klar. Ich verfüge durchaus über Selbsteinsicht. Und was Duncan betraf: Seine Kompromisslosigkeit und Konsequenz anerkannte ich, vielleicht begeisterte ich mich sogar dafür, und er war aufmerksam wie selten. Er schickte die Kinder in ein Ferienlager (das wird ihnen gut tun, sagte er, da lernen sie Selbstständigkeit) und verbrachte ein paar Tage mit mir in der benutzbaren Zone des Mittelmeers, von dem mir nur ein kroatischer Hafen in Erinnerung blieb; die Küstenstädte zeigten sich generell unberührt. Duncan bestand darauf, einige Gassen vom

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