Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
Mitsprachemöglichkeiten, das Programm wird durch das Setzen immer neuer Standards laufend von uns angepasst. Teergeruch lässt mich schwanken, und ich sehe Duncan sich entfernen, seine Männer im Schlepptau. (Krieger: Nicht an vorderster Front, sagte Duncan, niemals.)
Tatsächlich rührt Duncan mich mittlerweile so selten an, dass ich mich frage, wie er je so direkt und ohne körperliche Umschweife etwas von mir hat wollen können. Ich frage ihn, aber er antwortet mir natürlich nicht, ich erwarte nicht einmal, dass er antwortet, ich sehe erwartungslos in das dunkle Schweigen vor seinem (seitlich gelagerten) Rücken, unter der felsartig aufragenden Schulter und höre seinen ruhigen Atem. An das Nicht-mehr-allein-Sein kann ich mich gewöhnen, doch das ist nicht gut. Dieser Mann hat einen guten Schlaf. Einen provokant demonstrativ guten Schlaf sogar, aber das können nur schlaflose Menschen wie ich denken, dass das provokant ist, vor allem nach Streitereien und Zornausbrüchen, die ihn zu entleeren scheinen, jedenfalls entlassen sie ihn zufrieden und schwerelos in die Nacht, während sie in mir arbeiten und Blasen werfen bis zum Morgen.
Schillernd wabern darin Fragen wie die, ob er auch meine Voicemail überwachen lässt – warum sollte er das ausgerechnet bei mir nicht tun, aber er findet nichts Interessantes drin, was denn: Nachrichten der Gärtnerin? Ich sehe mich ausgesetzt und allein, die Geschmacksnoten von Tang und Teer haften immer noch in der Nasenhöhle, am Gaumen, ich stoße einen kleinen Schrei aus, wie im Schlaf, Duncan dreht sich um und legt mir einen Daumen auf die Stirn, als wollte er einen Aschenabdruck hinterlassen.
Schlaflos war ich von Anfang an. In meinen Wachträumen steigen Menschen aus dem Wasser. Am Morgen (dieser Ekel des nächsten Morgens): Duncan schafft es tatsächlich zu telefonieren und sich dabei anzuziehen, und zwar konventionell, altertümlich das Telefon zwischen schräggestellten Kopf und hochgezogener Schulter eingeklemmt, dass die Halswirbelsäule sich kränklich krümmt, und dabei den Arm in einen Hemdsärmel zu schlängeln und die Manschetten mit ausgesuchten Knöpfen zu schließen, die er sorgsam gustierend aus einer flachen Lade nimmt, schnell, noch am Weg, heißt das. Und das bedeutet etwas anderes, als wenn er die Freisprecheinrichtung aktiviert, die das Schlafzimmer großzügig beschallt: dann vergisst er selten, mich mit einer flüssigen Geste vor die Tür zu schicken. Dennoch höre ich etwas von firmenintern, undichte Stellen, Zuspielung, aber vermutlich geht es um etwas ganz anderes, und ich höre es nur, weil ich mir nichts anderes mehr vorstellen kann, und dabei sehe ich eine öffentlich-rechtliche Frühstücksszene zwischen Duncan und Alexander im nächstgelegenen Bildschirm (Badezimmer, glaube ich). Und öffentlich-rechtlich: was sage ich da, was für eine Kategorie soll das denn sein, so was gibt es schon lange nicht mehr, hat es noch nie gegeben, wenigstens nicht hier. Eine Sicherheitskategorie aus einer staatsgläubigen Zeit, öffentlich-rechtlich, das kann ja nur moralisch, sauber und familienfreundlich sein, und das ist mittlerweile ohnehin das alles entscheidende Kriterium.
Jedenfalls lassen sie sich bei einem gemeinsam eingenommenen Arbeitsfrühstück filmen, das sorgt für hemdsärmelige Unmittelbarkeit und gegebenenfalls für Flecken auf der Krawatte, doch ich kann nichts dergleichen erkennen, ich nähere mich dem Bildschirm, die Zahnbürste in der Hand, Alexander ist makellos wie immer, mit brokatartig in sich gemusterter weißer Krawatte, mutig, muss ich sagen, angesichts des Rahmens, weiß in weiß auf weißem Untergrund. Duncan (Krawatte: dunkel, schmal, wie immer) beugt sich vor und sagt etwas, das man nicht verstehen kann. Alexander nickt zustimmend. Die aufgeschäumte Zahnpasta-Speichel-Mischung tropft von meinem Kinn. Die Krawatte, denke ich, ist der ausgedünnte Platzhalter zwischen den Spuckbedeckungen von Kleinkindern und Greisen. Ein Mahnmal der Vergänglichkeit, um das ich sie schon fast beneide. Vielleicht tun Duncan und Alexander auch nur so, als ob sie sich unterhielten: Statisten in der eigenen Inszenierung, die sich jetzt wohl oder übel an das von ihnen in Auftrag gegebene Skript halten müssen. Der Frühstücksraum, die Kulisse für die verbindungsstiftende Nahrungsaufnahme kommt mir vage bekannt vor, ohne dass ich sofort realisiere, was ich sehe.
Dann folgt die Kamera dem Schwung einer weißen Couch im Raumhintergrund, meine Hand
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