Die Königin von Theben
Lauftreppe und stand auf dem Schiff. Lange betrachtete sie den grausam gemarterten Leichnam des Mannes, den sie so sehr geliebt hatte und den sie über den Tod hinaus lieben würde.
Sie küsste ihn auf die Stirn und begab sich dann zum Bug des Schiffes, wohin ihr alle Blicke folgten.
»Gebt mir das Schwert Amuns und das Diadem des Königs«, befahl sie Emheb. Dann setzte sie sich das blutige Diadem auf den Kopf und zeigte mit dem Schwert in Richtung Norden. »Sobald wie möglich wird Kamose seinem Vater nachfolgen. Er wird unser neuer Pharao sein. Bis es soweit ist, werde ich die Regentschaft übernehmen, und wir setzen den Kampf gegen das Reich der Finsternis fort. Seqens Seele wird ihren Platz zwischen den Sternen am Himmel finden, und er wird uns vorausgehen auf dem Weg des Lichts.«
N ACHWORT
Im Laufe seiner langen Geschichte erlebte das pharaonische Ägypten viele Krisen und Invasionen. Wenn die Epoche, die auf das Alte Reich – die Zeit der großen Pyramiden – folgte, auch bis heute noch im Dunkeln liegt, so weiß man desto besser über die Vorgänge Bescheid, die sich in der Zeit des so genannten Mittleren Reichs abspielten.
Diese friedliche Epoche, geprägt von den Geschlechtern der Amenemhet und Sesostris, ist reich an Schöpfungen der Kunst und Literatur, darunter der berühmten Erzählung des Sinuhe, die von allen angehenden Schreibern der Zeit studiert wurde. Die Pharaonen bauten erneut Pyramiden und stellten die Stabilität der Gesellschaft wieder her, einer Gesellschaft, die sich auf der Ehrfurcht vor Maat, der Göttin der Ordnung und Gerechtigkeit, gründete.
Doch ein so blühendes Land muss Begehrlichkeiten wecken. Und um 1730 vor Christus zeigte sich die Gefahr im Norden, als die Hyksos nach Ägypten einfielen.
Wer war dieses Volk der Hyksos, deren Name eine Umschreibung des ägyptischen heka khasut , ›Oberhaupt fremder Gegenden‹, darstellt? Noch immer gibt es darüber heftige Debatten, sicher ist jedoch, dass es unter ihnen Kanaanäer gab (Bewohner von Palästina), außerdem Anatolier, Zyprioten, Asiaten und andere. Es war die erste Invasion, die Ägypten erlitt. Erst viel später kamen die Perser, die Griechen, die Römer und schließlich die Araber.
Die Hyksos errichteten das Zentrum ihres Reichs im Nildelta, in Auaris, einem kleinen Marktflecken, der zur mächtigsten Stadt des Mittleren Ostens wurde, ausgestattet mit einer riesenhaften Zitadelle.
Die Besatzung dauerte lange (länger als hundert Jahre), und sie war, wie Ägyptologen annehmen, sehr grausam.
Als die Hyksos sich unter der Herrschaft ihres Königs Apophis {*} auf dem Höhepunkt ihrer Macht befanden, gab es nur noch an einem einzigen Punkt Widerstand: in der kleinen Stadt Theben, wo es – bei dem heutigen Dorf Karnak – einen schönen, Amun geweihten Tempel gab, der allerdings mit dem gigantischen Bauwerk, das heutige Besucher dort bewundern können, nichts zu tun hat.
Königin Teti die Kleine brauchte viel Mut, um an der Spitze ihrer thebanischen Provinz den Anschein von Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten, während sich in nicht allzu weiter Entfernung die feindliche Festung Gebelein befand.
Als der Druck auf Theben fast unerträglich wird und die Stadt kurz vor der Zerstörung zu stehen scheint, ist es eine junge Frau namens Ahotep, die versucht, das Ruder herumzuwerfen. Obwohl die Chance eines Sieges äußerst gering ist, wagt sie es, ihre Landsleute wachzurütteln und für die Freiheit zu begeistern. Ihr ägyptischer Name lah-hotep ist aus zwei Wörtern zusammengesetzt. Lah , der Mondgott, der auch aggressiv und Schrecken erregend sein kann, und Hotep , was ›Friede, Ganzheit, Erfüllung‹ bedeutet. Der Name Ahotep ist somit schon ein Regierungsprogramm; übersetzt kann er bedeuten: ›Möge der Gott des Mondes Erfüllung erlangen‹ – das heißt, die himmlische Macht soll die Finsternis durchdringen –, oder: ›Krieg und Frieden‹.
Drei Männer, drei Thebaner, drei Pharaonen waren für Ahotep wichtig: ihr Ehemann Seqen-en-Re und ihre beiden Söhne Kamose und Ahmose. Doch sie allein stand am Beginn der Wiedereroberung ihres Vaterlandes, der Zwei Reiche, Ober- und Unterägypten, scheute vor großen Opfern nicht zurück und verlieh dem Kampf ihre ganze Lebenskraft.
Ahotep – eine ägyptische Johanna von Orléans? In gewisser Weise war sie das tatsächlich, nicht nur, weil sie die Thebaner dazu brachte, eine Befreiungsarmee aufzustellen, sondern weil sie selbst eine bedeutende militärische Rolle
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