Die Königin von Theben
jung!«
»Die Prinzessin ist soeben erwacht, Majestät!«
Die Königin erstarrte.
»Belüg mich nicht, Qaris … Es wäre zu grausam.«
»Kommt, ich bitte Euch, macht schnell!«
Wie eine Schlafwandlerin folgte Teti die Kleine ihrem Haushofmeister.
Auf ihrem Bett sitzend, streichelte Ahotep den Kopf des Hundes, der sich gründlich die Pfoten leckte.
»Wo ist das Zepter der Göttin?«, fragte sie mit sonderbarer Stimme.
»Ahotep … Du lebst!«
Die Prinzessin sah ihre Mutter mit großen Augen an. »Aber natürlich lebe ich! Doch du siehst ziemlich erschöpft aus.«
»Die Göttin Mut …«
»Sie hat mich nicht geschont, aber ich habe das Zepter ihrer Macht berühren dürfen!«
»Die Priester von Karnak sagen, die Göttin hat sich ihr Eigentum zurückgeholt«, ergänzte Qaris mit ruhiger Stimme. »Es ist wirklich ein Wunder, dass Ihr aus Eurem tiefen Koma erwacht seid.«
»Wir brauchen dieses Zepter, damit wir kämpfen können, dessen bin ich gewiss!«
Die Prinzessin erhob sich, und der Haushofmeister wandte diskret die Augen ab. Teti die Kleine bedeckte den schönen Körper ihrer Tochter mit einem Gewand aus Leinen und bot ihr etwas zu trinken an.
»Fühlst du dich nicht schwindlig?«
»Ich bin völlig gesund, Mutter! Die Flamme der Göttin Mut hat mich nicht verbrannt, sie hat mir den Weg zur wahren Macht gezeigt, und sie hat mich mit einer Mission betraut.«
»Sei nicht so überschwänglich, Ahotep.«
»Und warum nicht?«
»Weil unsere Lage uns keinerlei Anlass zur Hoffnung gibt.«
Ahotep fasste die Königin bei den Schultern. »Ich will alles wissen!«
»Bist du ganz sicher?«
»Ich habe mein Leben riskiert, und ich werde es wieder riskieren … Du darfst mir nichts mehr verheimlichen!«
»Wie du willst … Du kannst reden, Qaris.«
»Qaris? Warum er?«
»Weil ich ihn damit beauftragt habe, Informationen über unsere letzten Gefolgsleute im besetzten Gebiet zu beschaffen.«
Ahotep war verblüfft. »Du, Qaris, hast dich solchen Gefahren ausgesetzt?!«
»Ich stehe im Dienst der Königin und unseres Vaterlandes«, erklärte der Haushofmeister stolz.
»Also glaubst du auch, dass der Sieg noch immer möglich ist!«
Traurigkeit verschleierte Qaris' Blick.
»Sei ehrlich!«, forderte Teti die Kleine.
»Die Worte der Weisen sind verklungen«, sagte der Haushofmeister seufzend, »die Götter erkennen Ägypten nicht wieder. Die Barken von Tag und Nacht sind nicht mehr auf ihrem Weg, der Lauf der Sonne ist gestört, sie wird sich unweigerlich von der Erde entfernen und uns im Stich lassen. Maat herrscht nicht mehr über die Zwei Reiche, in allen Provinzen regieren Jammer und Betrübnis, das Böse ist allmächtig.«
»Das sind nur Worte – Worte der Verzweiflung!«, widersprach Ahotep. »Was zählt, sind Tatsachen.«
»Unsere traditionelle Wirtschaft liegt darnieder, Prinzessin. Die Tempel erhalten keine Lebensmittel mehr, und die Verteilung der Nahrung ist nicht gesichert. Die Menschen, die etwas produzieren, verdienen nichts, nur die Zwischenhändler im Dienst der Hyksos bereichern sich. Die Webstühle stehen still, es werden keine Leinenstoffe mehr hergestellt, es fehlt an Perücken und selbst an Sandalen; gegen Schmutz und Staub wird nichts mehr getan, die Wäscher weigern sich, die Wäsche zu waschen, die Bäcker wollen kein Brot mehr backen, die Brauer kein Bier mehr brauen. Der Dieb ist reich geworden, die Ungerechtigkeit triumphiert.«
»Die Not wird eines Tages vorbei sein … Und wir haben immer noch Theben!«
»Unsere Stadt ist isoliert, Prinzessin!«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ich werde es Euch zeigen.«
Der Haushofmeister ging vor der Königin und ihrer Tochter her und führte sie zu einem kleinen, karg möblierten Zimmer, das an ihr Gemach angrenzte. Er zog einen Vorhang weg und brachte ein dahinter verborgenes hölzernes Modell zum Vorschein, das auf einem niedrigen Tisch stand.
»Wunderbar!«, rief Ahotep. »Diese Lotosblüte ist das Delta, Unterägypten … Und dieser sich windende Schaft, das ist das Niltal, Oberägypten … Und dort, Nubien, im Süden von Assuan.«
»Man kann jede Provinz mit ihrer Hauptstadt und ihren Tempeln unterscheiden«, bemerkte Teti die Kleine. »Landvermesser und Geographen haben ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dank unserer Informationen können wir den Weg des Feindes genau verfolgen.«
»Theben ist frei, das ist das Wichtigste!«
»Theben ist nur noch eine kleine Insel der Freiheit«, verbesserte Qaris. »Die Hyksos
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