Die Königin von Theben
von Edfu führten, aber er fürchtete, Ahotep könnte bei einem Handgemenge verletzt werden. Stattdessen hatte er sich eine andere Strategie zurechtgelegt: Wenn er Emheb begegnen sollte, würde er ihn als Geisel nehmen. Denn der Pharao hatte sich geschworen, dass er die Königin unversehrt aus dieser Stadt hinausbringen werde.
Der Palast ähnelte jenem von Titi in Koptos. In ihren baufälligen Amtsstuben füllten Schreiber einen Papyrusbogen nach dem anderen aus, Polizisten reinigten träge ihre Waffen, und streunende Katzen lauerten auf irgendetwas, was den Anschein von Nahrung hatte.
»Ihr geht dort hinein.«
Ein Schuppen, dunkel und schmutzig, erwartete sie.
»Wann werden wir den Fürsten sehen?«, fragte Seqen.
»Du lässt nicht locker, was? Beruhige dich, du wirst ihn schon noch treffen.«
Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Abgetretene Sandalen und schmutzige Tücher häuften sich auf dem Boden aus gestampftem Lehm.
Seqen untersuchte den Raum und entdeckte ein Loch in der hinteren Wand.
»Ich kann es vergrößern … Das wird unser Fluchtweg sein!«
»Kommt nicht in Frage«, gab Ahotep zurück. »Wir müssen diesem Emheb die Stirn bieten.«
»Und wenn wir hier nur herauskommen, um hingerichtet zu werden?«
»Emheb empfängt uns, dessen bin ich mir sicher. Ich werfe mich vor ihm nieder, ich hole mir sein Schwert und drohe, ihm die Kehle durchzuschneiden, wenn er kein Boot bereitstellt, das uns alle drei nach Theben bringt. Dieser Verräter weiß es noch nicht, aber er ist schon unser Gefangener.«
Seqen nahm seine Frau in die Arme und drückte sie fest an sich. Die Zartheit ihrer parfümierten Haut ließ ihn das übel riechende Gefängnis vergessen.
Als die Tür sich öffnete, hielten sie sich immer noch eng umschlungen.
»Folgt mir, ihr Turteltauben!«, befahl ein Beamter.
»Wir werden also endlich den Fürsten treffen?«, fragte Seqen mit zaghafter Stimme.
»Weiter, schnell!«
In der Mitte des Hofs stand ein Hackstock mit einem Beil.
Würde Seqen genug Zeit haben, sich dieses Beils zu bemächtigen und den Scharfrichter damit zu töten?
»Hier entlang!«
Sie verließen den Ort der Martern und wurden in einen Audienzsaal mit vier Säulen und verblassten Malereien gestoßen.
Ein Mann von erstaunlichem Leibesumfang stellte sich vor den Gefangenen auf. Alles an ihm war groß: die Augen, die Nase, die Schultern und selbst die Ohren! Sein gewölbter Bauch ließ an einen Lebemann denken, doch seine kalten Augen widerlegten diesen Eindruck.
»Ihr jungen Leute sucht mich?«
»Wenn Ihr Emheb seid, ja!«, erwiderte Seqen.
»Du, meine Tochter, zeig mir deine Hände.«
Ahotep tat, was er befohlen hatte.
»Sie sind zart und hübsch und riechen nicht nach Fisch.«
»Mein Mann geht zum Fischen, nicht ich.«
Mit einer Schnelligkeit, die bei einem so dicken Mann überraschte, riss Emheb das Oberteil von Seqens Tunika auf.
»Auch das hier riecht nicht nach Fisch! Wer seid ihr wirklich?«
Der Fürst trug keine Waffe, und die Polizisten waren zu weit entfernt, als dass Seqen sich ihrer Schwerter ohne Gegenwehr hätte bemächtigen können. Sie würden genug Zeit haben, ihre Kameraden zu alarmieren, und der Pharao würde vor der Übermacht kapitulieren müssen. Und wenn man sich Emhebs Hals ansah, war klar, dass man ihn unmöglich erwürgen konnte!
»Warum hast du dein Land verraten?«, fragte Ahotep tiefernst.
Ihr eindringlicher Blick beunruhigte Emheb. »Ihr seid Thebaner, nicht?«
»Dieser Tag wird dir unsterblichen Ruhm eintragen. Zusammen mit den Hyksos wirst du Ahotep töten, Herrscherin der Zwei Reiche. Ich bitte nur um eine Gunst: Verschone den Bauern, der gezwungen wurde, mich zu begleiten.«
Ahotep hoffte, Seqen zu retten; aber Seqen würde nicht zulassen, dass die Hyksos seine Frau berührten.
Da kniete der Fürst von Edfu nieder. »Ich bin Euer Diener, Majestät. Befehlt, und ich werde gehorchen!«
Die Ordnungshüter taten es Emheb gleich.
»Es sind keine Hyksos«, erklärte er, »sondern Ägypter. Ich habe die Schergen der Besatzer einen nach dem anderen beseitigen lassen, um sie durch meine eigenen Leuten zu ersetzen, und dabei habe ich ihrem König weisgemacht, dass die Stadt vollkommen in seiner Gewalt ist. Da er einen verlässlichen Verbündeten in mir sieht, hat er mir die Pflicht auferlegt, der ganzen Region noch höhere Abgaben als bisher aufzuzwingen und sie dann an ihn abzuführen. Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass ich ihn irgendwann angreifen könnte. Auch wenn
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