Die Königin von Theben
Sklave.
»Wer bist du, und woher kommst du?«, fragte ein schlitzäugiger Offizier.
»Ich bin ein Fischer aus Edfu, ich kehre nach Hause zurück.«
»Das ist deine Frau?«
»Ja, Herr, und sie erwartet unser Kind.«
»Zeig mir, was du gefangen hast.«
Seqen öffnete einen Weidenkorb, in dem drei mittelgroße Barsche lagen.
»Du musst den Wegezoll bezahlen.«
»Aber, Herr …«
»Keine Widerrede. Gib mir diese Fische.«
»Ich werde ein Kind haben, und ich muss sie verkaufen …«
»Keine Widerrede, habe ich gesagt! Bleib in Zukunft in der Nähe der Stadt.«
Der kleine Kahn legte zwischen zwei Booten an. Papyrustaue, die um Pflöcke geschlungen waren, hielten sie am Ufer.
Seqen half Ahotep an Land.
Ein Mann mit struppigem Haar rief sie an: »He, wer seid ihr?«
»Fischer.«
»Das würde mich wundern! Ich selbst bin Fischer, und ich kenne alle in der Gegend. Ihr seid nicht von hier.«
Ahotep las in den Augen dieses Mannes etwas, was sie dazu bewog, ihm einen Teil der Wahrheit zu enthüllen.
»Wir kommen aus Theben.«
»Theben … Aber die Stadt Amuns ist völlig zerstört!«
»Die Hyksos lügen. Theben ist unversehrt und hält der Unterdrückung stand.«
»Unversehrt … Also gibt es noch Leben!«
»Ist Edfu besetzt?«
»Jannas' Armee hat die örtliche Miliz besiegt und unseren Besitz geplündert, dann ist sie weitergezogen gen Norden. Der Admiral hat nur eine Wachtruppe hier gelassen. Schon drei Monate traue ich mich nicht in die Stadt, weil ich Angst habe, dass sie mich festnehmen.«
»Ist Emheb noch am Leben?«
»Das weiß ich nicht … Versucht vor allem nicht, die Stadt zu betreten. Ihr werdet nie mehr herauskommen.«
»Welcher Zugang ist am schlechtesten bewacht?«
»Das Osttor … Aber hütet euch davor, so etwas Wahnsinniges zu tun!«
»Würdest du uns helfen?«
»Ich, nein … Mein Leben ist nicht rosig, aber ich will es behalten. Vielleicht begleitet euch mein Bruder … Ihr könntet Fischer sein, die auf dem Markt ihre Fische verkaufen. Er besticht die Ordnungshüter, um weiter arbeiten zu können.«
Der Bruder war einverstanden.
Angesichts des Paares, das sich in Richtung der Stadt entfernte, zog der Mann mit dem struppigen Haar eine Grimasse, die von Verständnislosigkeit zeugte. Warum begab sich dieser junge Bursche mit seiner hübschen, schwangeren Frau in die Höhle des Löwen?
34
I n den Vorstädten von Edfu war fast kein Geräusch zu hören. Beim Tausch der Waren wurde man schnell handelseinig, und nie verlor man die Ordnungshüter der Hyksos aus den Augen, die ohne Unterlass die Gassen und Plätze durchkämmten. Jedermann konnte wegen irgendeiner Nichtigkeit verhaftet werden, und bei den Verhören kam niemand unverletzt davon. Gut kamen jene Verdächtigen weg, denen man Arme oder Beine brach; am schlechtesten traf es jene, die als Arbeiter in die Kupferminen geschickt wurden.
In der Nähe des Horustempels hatte der Bruder des Fischers Ahotep und Seqen verlassen. Holzbalken versperrten das Tempeltor, denn der König hatte den Kult des göttlichen Falken, Beschützer des Pharao, verboten. Nur Seth von Auaris durfte als solcher noch verehrt werden.
Ein Verkäufer von Amuletten, die ebenso hässlich wie unwirksam waren, näherte sich dem Paar.
»Sie sind gar nicht teuer, und sie werden euer Kind beschützen … Ich gebe euch vier zum Preis von zweien.«
»Wir suchen Fürst Emheb«, sagte Seqen.
Der Händler entfernte sich eilig.
»Warum sollten alle sich weigern, von Emheb zu sprechen«, fragte Ahotep, »wenn er sich nicht an die Hyksos verkauft hat?«
»Das ist also die Antwort, nach der wir gesucht haben«, schloss Seqen. »Suchen wir das Weite.«
Das Paar ging an der Südmauer des Tempels entlang in Richtung der Vorstädte.
Doch diesmal standen Ordnungshüter der Hyksos mit Schwertern und Knüppeln am Osttor. Jeder Fluchtversuch war zum Scheitern verurteilt.
Einige Bauern verließen die Stadt, ohne angehalten zu werden. Seqen und Ahotep folgten ihnen auf dem Fuß.
»Ihr zwei«, fragte ein Ordnungshüter, »wohin geht ihr?«
»Zurück auf unseren Kahn«, erwiderte Seqen. »Wir sind Fischer.«
»Ihr stellt Fragen über den Fürsten …«
»Wir hätten ihn gern gesehen«, gab Ahotep zu.
»Aus welchem Grund?«
»Um ihn zu bitten, uns ein neues Boot zu geben. Unseres ist völlig unbrauchbar.«
»Diese Geschichte klingt faul … Folgt mir.«
Seqen allein wäre es vielleicht gelungen, sich der drei Ordnungshüter zu entledigen, die sie zum Zentrum
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