Die Königin von Theben
kommen lassen?«
»In gewisser Weise ja, Majestät. Ich habe den Aufstieg dieses Nedjeh nicht verfolgt, der nach der Meinung meiner Informanten gar keine Zukunft hatte. Einen dieser Informanten habe ich vor den Augen seiner Mitstreiter pfählen lassen, um ihnen zu zeigen, wie unzufrieden ich bin. Als ich hierher kam, wusste ich, dass mir womöglich die Hinrichtung bevorsteht. Ihr könntet mich mit Recht zum Tode verurteilen. Deshalb habe ich mich noch einmal bis zur Erschöpfung in Eurem Harem vergnügt.«
Apophis dachte nach.
Selbstverständlich durfte man dem Gesandten einen so krassen Misserfolg nicht einfach durchgehen lassen. Doch den Einäugigen zu ersetzen würde nicht leicht sein. Außerdem würde er in Zukunft umso vorsichtiger sein, damit sich der Fehler nicht wiederholte. Und die offizielle Version würde sich eng an die Realität halten: Nedjeh sei zum Führer der Nubier ernannt worden, und zwar mit dem Segen des Königs.
»Du wirst am Leben bleiben«, verkündete Apophis. »Als Gesandter der Hyksos wirst du an meiner statt den Mann beglückwünschen, dem es gelungen ist, die Stämme um sich zu scharen.«
Der Einäugige traute seinen Ohren nicht. »Schickt Ihr mir eine Armee, um ihn zu vernichten, Majestät?«
»Die Nubier auf ihrem eigenen Territorium zu bekämpfen stellt uns vor enorme Schwierigkeiten, das weißt du besser als ich. Und bis jetzt habe ich noch keinen Grund, meinen südlichen Untertanen den Krieg zu erklären.«
»Im Norden seines Landes kontrolliert Nedjeh nur Elephantine, aber er wird weiter vorstoßen.«
»Ist er ein Dummkopf?«
»Ich glaube nicht.«
»Also weiß er, dass es ein fataler Fehler wäre, den Zorn der Hyksos herauszufordern. Zweifellos wird er versuchen, seine Macht in Nubien zu festigen. Eines Tages nutzen wir seine Talente. Wenn er stört, schreiten wir ein. Kehr zurück nach Nubien, streichle ihm den Pelz und informiere mich über seine kleinsten Taten und Pläne. Und keine Irrtümer mehr!«
Der Gesandte, verblüfft, mit heiler Haut davongekommen zu sein, freute sich auf eine weitere Nacht im Harem, bevor er auf sein Schiff gehen und die Stadt seines Herrschers verlassen würde.
36
P harao Seqen war niedergeschlagen.
Die Steuern, die die Hyksos verlangten, waren noch drückender als die des letzten Jahres. Der König begnügte sich nicht mehr mit einer neuen Stele zu seinem Ruhm, und die Schatzmeister prüften jeden Sack Korn mit sadistischer Freude am baldigen Hungertod der Thebaner. Wer noch daran dachte, den Beginn des neuen Jahres zu feiern, musste auf Genüsse jeder Art verzichten.
Dank der Neuordnung der thebanischen Landwirtschaft, mit der sich Seqen Tag und Nacht beschäftigte, würde er die Eroberer zwar zufrieden stellen können, doch drohte trotz aller Anstrengungen eine Katastrophe, weil die Bevölkerung der letzten freien Enklave allmählich die Hoffnung verlor.
Seit über zwei Jahren litt Königin Ahotep an einer Krankheit, die die Ärzte Thebens nicht zu heilen vermochten. Die junge Frau schlief vierzehn oder fünfzehn Stunden, versuchte aufzustehen, begann zu schwanken und musste sich gleich wieder hinlegen. Im Lauf von wenigen Minuten verwirrten sich ihre Gedanken, und sie verdämmerte ihre Tage in schrecklicher Erschöpfung und tödlicher Lethargie.
Nur die staunenswerte Fröhlichkeit des kleinen Kamose war ein kleiner Lichtblick in dem Palast, der zunehmend in Hoffnungslosigkeit versank. Ahotep hatte Recht gehabt, ihm diesen Namen auszusuchen, der bedeutete ›der aus der Lebenskraft Geborene‹, denn der Kleine wurde wirklich von Tag zu Tag kräftiger.
Seqen dachte manchmal, dass die Gesundheit seiner Frau in den Körper seines Sohnes übergegangen war, aber konnte er ihm das vorwerfen? Die Geburt dieses Kindes, das die Zukunft bedeutete, hatte so viel Glück gebracht!
Mit Qaris zusammen brütete Seqen über dem Modell. Fast ganz Ägypten gehörte jetzt den Hyksos, und die Existenz von kleinen Widerstandsgruppen im Norden war zur Illusion geronnen.
»Vielleicht wird mein Sohn seinen nächsten Geburtstag nicht in diesem Palast feiern … Aber wohin sollen wir gehen? Nicht in den Norden, aber genauso wenig in den Süden. Nach den Informationen von Emheb lassen die Nubier alle Ägypter, die nicht mit ihnen zusammenarbeiten, foltern und hinrichten. Sie sind jetzt die Herren unserer alten Festungen, und ihr König, Nedjeh, denkt daran, wie er sein Machtgebiet immer weiter ausdehnen kann.«
»Apophis wird ihn daran hindern!«
»Heute
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