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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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werden, auf die es keine Antwort gab?
    Was war mit all den Leuten geschehen, die Leck hatte verschwinden lassen? Wie hatten ihre Geschichten geendet? Es waren Hunderte gewesen, Kinder und Erwachsene, Frauen und Männer, die Leck entführt und wahrscheinlich ermordet hatte. Aber Bitterblue wusste es nicht und ihre Ratgeber hatten ihr das Wo, Warum oder Wie nie erklären können. Und es schien so, als hätten auch die Menschen in der Stadt keine Ahnung. Plötzlich reichte es Bitterblue nicht mehr zu wissen, dass die Verschwundenen weg waren. Sie wollte auch alles andere über sie wissen, denn die Menschen in den Erzähllokalen waren ihr Volk und es war offensichtlich, dass sie Bescheid wissen wollten. Bitterblue wollte es herausfinden, um es ihnen sagen zu können.
    Weitere Fragen drängten sich auf. Jetzt, wo sie auf die Idee gekommen war, mal nachzusehen, hatte Bitterblue drei weitere Stellen an der Ostseite des Schlosses bemerkt, an denen die Wasserspeier fehlten – abgesehen von dem, dessen Diebstahl sie beobachtet hatte. Warum hatte keiner ihrer Ratgeber sie darüber informiert?
    »Königin«, sagte Thiel eines Morgens ernst in ihrem Schreibzimmer zu ihr, »unterschreiben Sie das nicht.«
    Bitterblue blinzelte. »Was?«
    »Diesen Unabhängigkeitsantrag, Königin«, sagte Thiel. »Ich habe Ihnen gerade eine Viertelstunde lang erklärt, warum Sie ihn nicht unterschreiben sollen, und jetzt sitzen Sie da mit einer Feder in der Hand. Wo sind Sie nur mit Ihren Gedanken?«
    »Oh«, sagte Bitterblue und ließ seufzend die Feder sinken. »Nein, ich habe Sie schon gehört. Lord Danhole …«
    »Danzhol«, verbesserte Thiel sie.
    »Lord Danzhol, der Lord einer Stadt im Zentrum Monseas, hat Einwände dagegen, dass die Stadt seiner Herrschaft entzogen wird. Sie sind der Meinung, ich sollte ihm eine Audienz gewähren, bevor ich eine Entscheidung treffe.«
    »Ich fürchte, dass er ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Königin. Ich fürchte außerdem …«
    »Ja«, sagte Bitterblue abgelenkt. »Sie haben mir gesagt, dass er mich außerdem heiraten möchte. Nun gut.«
    »Königin!« Thiel legte das Kinn auf die Brust und musterte sie. »Königin«, wiederholte er sanft, »ich frage noch mal: Wo sind Sie heute nur mit Ihren Gedanken?«
    »Bei den Wasserspeiern, Thiel«, sagte Bitterblue und rieb sich die Schläfen.
    »Den Wasserspeiern? Was meinen Sie damit, Königin?«
    »Die an der östlichen Mauer, Thiel. Ich habe heute zufällig mitangehört, wie sich einige der Schreiber unten darüber unterhalten haben, dass vier Wasserspeier an der Ostseite fehlen«, log sie. »Warum hat mich niemand davon in Kenntnis gesetzt?«
    »Sie fehlen!«, rief Thiel. »Wo sind sie denn hin, Königin?«
    »Tja, woher soll ich das wissen? Wohin gehen Wasserspeier denn so?«
    »Ich bezweifle sehr, dass das stimmt, Königin«, entgegnete Thiel. »Ich bin mir sicher, dass Sie sich verhört haben müssen.«
    »Dann fragen Sie nach«, sagte Bitterblue. »Oder lassen Sie es überprüfen. Ich weiß, was ich gehört habe.«
    Thiel ging davon. Nach einiger Zeit kam er mit Darby zurück, der hektisch einen kleinen Stapel Papier durchblätterte. »Unseren Aufzeichnungen zur Ausgestaltung des Schlosses zufolge fehlen in der Tat vier Wasserspeier an der Ostseite, Königin«, erklärte Darby beim Lesen energisch. »Allerdings nur in dem Sinne, dass dort noch nie welche waren.«
    »Dort waren noch nie welche!«, sagte Bitterblue, die ganz genau wusste, dass sich nur vor wenigen Nächten noch mindestens einer dort befunden hatte. »Keiner der vier war je dort?«
    »König Leck ist nie dazu gekommen, diese vier in Auftrag zu geben, Königin. Er hat die Stellen frei gelassen.«
    Was Bitterblue beim Nachzählen gesehen hatte, waren raue, abgebrochene Stellen an der Mauer gewesen, die sehr stark danach aussahen, als hätte sich dort einmal etwas Steinernes befunden, das dann abgehackt wurde – nämlich Wasserspeier. »Sind Sie sicher, dass diese Aufzeichnungen korrekt sind?«, fragte sie. »Von wann sind sie?«
    »Vom Beginn Ihrer Herrschaft, Königin«, sagte Darby. »Es wurden Aufzeichnungen vom Zustand des gesamten Schlosses angefertigt; ich persönlich habe die Aufzeichnungen auf Wunsch Ihres Onkels, König Ror, beaufsichtigt.«
    Es war eine seltsame Kleinigkeit, die eine Lüge nicht zu lohnen schien, und nicht wichtig genug, dass es etwas ausmachen würde, wenn Darby sich bei den Aufzeichnungen vertan hätte. Und doch verunsicherte es Bitterblue. Darbys

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