Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
Vom Netzwerk:
den Kletterer mehr oder weniger auf, obwohl ein Stöhnen und eine Reihe geflüsterter Flüche darauf hindeuteten, dass einer von beiden mehr abbekommen hatte. Die zweite Gestalt zückte eine Art Sack, in den die erste Gestalt den Wasserspeier steckte, und dann schlichen sie mit dem Sack über der Schulter des Fassadenkletterers gemeinsam davon.
    Sie kamen direkt an Bitterblue vorbei, die sich dicht an die Tür presste und sie sofort erkannte. Es waren der nette braunhaarige Teddy und sein beschenkter Freund Saf.

»Königin«, sagte Thiel am nächsten Morgen streng. »Konzentrieren Sie sich überhaupt?«
    Sie konzentrierte sich nicht. Sie versuchte einen Weg zu finden, auf beiläufige Art ein schwieriges Thema anzusprechen. Wie geht es Ihnen heute? Haben Sie alle gut geschlafen? Vermisst irgendjemand einen Wasserspeier? »Natürlich konzentriere ich mich«, fuhr sie ihn an.
    »Ich wage zu behaupten, dass Sie mir nicht die letzten fünf Dinge aufzählen könnten, die Sie gerade unterschrieben haben, Königin.«
    Thiel war nicht bewusst, dass diese Art Arbeit keine Konzentration erforderte. »Drei Unabhängigkeitsanträge für drei Küstenstädte«, sagte Bitterblue, »einen Auftrag über eine neue Tür für den Tresorraum der königlichen Schatzkammer und einen Brief an meinen Onkel, den König von Lienid, in dem er gebeten wird, Prinz Skye mitzubringen, wenn er kommt.«
    Thiel räusperte sich leicht betreten. »Ich muss mich korrigieren, Königin. Die Tatsache, dass Sie Letzteres, ohne zu zögern, unterzeichnet haben, ließ mich zweifeln.«
    »Warum sollte ich zögern? Ich mag Skye.«
    »Ja?«, fragte Thiel und zögerte dann seinerseits. »Wirklich?«, fügte er hinzu und sah plötzlich dermaßen zufrieden aus, dass Bitterblue es schon bereute, ihn zu hänseln, denn nichts anderes tat sie gerade.
    »Taugen Ihre Spione denn gar nichts, Thiel? Skye bevorzugt Männer, für Frauen hat er nichts übrig, und für mich erst recht nicht. Verstehen Sie? Das Schlimme ist, dass er praktisch veranlagt ist, es könnte also durchaus sein, dass er mich heiraten würde, wenn wir ihn darum bitten. Vielleicht würde Sie das nicht weiter stören, aber mich schon.«
    »Oh.« Thiel war offenkundig enttäuscht. »Wenn das stimmt, ist das eine wichtige Information, Königin. Sind Sie sicher?«
    »Thiel«, sagte sie ungeduldig, »er macht keinen Hehl daraus. Selbst Ror hat es kürzlich erfahren. Haben Sie sich nicht gefragt, warum Ror diese Ehe nie vorgeschlagen hat?«
    »Nun«, antwortete Thiel, verzichtete dann aber darauf, noch etwas hinzuzufügen. Es hing ihm noch immer nach, wie grausam Bitterblue sein konnte, wenn er dieses Thema weiter verfolgte. »Sollen wir heute einige Ergebnisse der Volkszählung durchgehen, Königin?«
    »Ja, bitte.« Bitterblue mochte es, mit Thiel die Ergebnisse der Volkszählungen im Königreich durchzugehen. Das Zusammenstellen der Informationen fiel in Runnemoods Zuständigkeitsbereich. Darby bereitete die Berichte vor, die ordentlich nach Bezirken geordnet und mit Plänen ergänzt waren sowie Statistiken zu Lese- und Schreibfähigkeit, Beschäftigung, Bevölkerungszahl und einer Menge weiterer Dinge aufführten. Thiel war gut darin, ihre vielen Fragen zu beantworten; Thiel wusste alles. Und dieses ganze Unterfangen gab Bitterblue am ehesten das Gefühl, einen Zugang zu ihrem Königreich zu haben.
    In dieser und den beiden folgenden Nächten verließ Bitterblue erneut das Schloss, besuchte die zwei Lokale, die sie kannte, und hörte den Geschichtenerzählern zu. Die Geschichten handelten oft von Leck. Leck, der die kleinen aufgeschlitzten Tiere quälte, die er in seinem Garten hielt. Lecks Schlossdienern, die mit Schnitten in der Haut herumliefen. Lecks Tod durch Katsas Dolch. Das Publikum dieser nächtlichen Geschichten hatte einen schauerlichen Geschmack. Aber das war nicht alles: In den Lücken zwischen dem Blut bemerkte Bitterblue eine andere, immer wiederkehrende unblutige Geschichte. Die begann jedes Mal, wie alle Geschichten beginnen – mit zwei Menschen, die sich verliebten, oder einem schlauen Kind, das versuchte, ein Geheimnis zu lösen. Aber gerade, wenn man zu wissen meinte, wie die Geschichte weitergehen würde, endete sie abrupt mit dem unerklärlichen Verschwinden des Liebespaares oder des Kindes.
    Abgebrochene Geschichten. Warum kamen die Leute her, um sich so etwas anzuhören? Warum wollten sie immer wieder denselben Geschichten lauschen und jedes Mal mit derselben Frage konfrontiert

Weitere Kostenlose Bücher