Die Königliche (German Edition)
Landungsbrücken. Wir haben Dezember!«
»Aber ich kann das, Königin«, sagte Hava. »Niemand kann sich so tarnen wie ich. Bitte! Sie hatte ihre Hände überall auf den Skulpturen meiner Mutter.«
»Ja«, sagte Bitterblue, die an dieselben Hände auf der Stickerei ihrer Mutter dachte. »Ja, ist gut, Hava, aber bitte sei vorsichtig.«
Ich will nichts weiter als einen friedlichen Ort der Kunst, Architektur und Heilkunde, aber meine Kontrolle nutzt sich ab. Es sind zu viele Leute und ich bin erschöpft. Der Widerstand in der Stadt reißt nicht ab. Jedes Mal, wenn ich einen Gedankenleser zu fassen bekomme, taucht ein neuer auf. Es gibt zu viel auszulöschen und zu viel zu erschaffen. Mit den Glasdächern bin ich zufrieden, aber die Brücken sind nicht hoch genug. Ich bin sicher, dass die Brücken über den Winged River in den Dells höher waren. Der Winged River ist majestätischer als mein Fluss. Dafür hasse ich meinen Fluss.
Ich musste den Gärtner töten. Er hat Monster für den Schlosshof gemacht, er hat sie immer so gemacht, wie ich es ihm gesagt habe, sie sehen lebendig aus und wirken lebendig, aber sie sind schließlich nicht lebendig, oder? Sie sind nicht echt. Da ich gerade dabei war, habe ich auch Gadd getötet. Habe ich ihn zu früh getötet? Seine Wandbehänge sind so traurig und sie sind auch nicht echt, sie sind ja noch nicht mal aus Monsterfell. Ich kriege es einfach nicht hin. Es wird nicht perfekt und ich verabscheue meine eigenen Versuche. Ich hasse diese Chiffre. Sie ist nötig, eigentlich müsste sie brillant sein, aber ich bekomme langsam Kopfschmerzen davon. Mein Krankenhaus bereitet mir auch Kopfschmerzen. Es gibt zu viele Leute dort. Ich bin es leid zu entscheiden, was sie denken, fühlen und tun sollen.
Ich hätte bei meinen Käfigtieren bleiben sollen. Ihr Mangel an Sprache schützt sie. Wenn ich sie aufschlitze, schreien sie, weil ich ihnen nicht erklären kann, dass es nicht wehtut. Sie wissen immer – immer –, was ich tue. Ihre Angst hat etwas Reines an sich, und das ist mir eine solche Erleichterung. Und es ist schön, allein mit ihnen zu sein.
Meine Messer zu zählen hat ebenfalls etwas Reines an sich. Auch im Krankenhaus fühle ich manchmal diese Reinheit, wenn ich die Patienten den Schmerz fühlen lasse. Einige von ihnen stoßen so wunderbare Schreie aus. Es klingt beinahe, als schriee das Blut selbst. Die gewölbte Decke und die Feuchtigkeit sorgen für die wunderbare Akustik. Die Wände glänzen schwarz. Aber dann regen die Schreie die anderen auf. Der Nebel in ihrem Bewusstsein beginnt sich zu lichten und sie fangen an zu verstehen, was sie da hören, und die Männer fangen an zu verstehen, was sie da tun, und dann muss ich sie bestrafen, sie einschüchtern, sie beschämen, sie dazu bringen, mich zu fürchten und zu brauchen, bis sie es wieder vergessen haben, sie alle, und das ist so viel mehr Arbeit, als sie ständig in Blindheit zu belassen.
Es gibt diese wenigen kostbaren Exemplare, die ich für mich aufspare und außerhalb des Krankenhauses behandele. Die hat es immer gegeben. Bellamew ist eine davon und Ashen ebenfalls. Ich lasse niemanden zusehen, außer wenn ich ihn zur Strafe zum Zusehen zwinge. Es ist eine Strafe für Thiel, mir mit Ashen zuzusehen. Ich lasse nicht zu, dass er sie anfasst, und manchmal schneide ich ihn. In jenen Momenten, im privaten Rahmen, zurückgezogen in meinen Räumen, wenn ich die Messer halte, kehrt die Perfektion einen Augenblick zurück. Nur einen Augenblick herrscht Frieden. Die Lektionen mit meiner Tochter werden auch so sein. Mit meiner Tochter wird es perfekt sein.
Ist es möglich, dass Bellamew mich seit acht Jahren belügt?
Bitterblue gewöhnte sich an, die Übersetzungen zuerst ihren Freunden zum Lesen zu geben, damit sie sie warnen konnten, wenn ihre Mutter oder sie selbst erwähnt wurden. Jeden Abend brachte Todd neue Seiten. An manchen Abenden konnte Bitterblue sich gar nicht überwinden, sie zu lesen. Dann bat sie Giddon, ihr eine Zusammenfassung zu liefern, was er neben ihr auf dem Sofa sitzend mit leiser Stimme tat. Sie wählte Giddon für diese Aufgabe aus, weil Helda und Bann die schlimmsten Stellen ausgelassen hätten und Giddon versprach, das nicht zu tun. Er sprach leise, als würde das die Wirkung der Worte abschwächen. Das tat es nicht – nicht wirklich –, allerdings stimmte Bitterblue mit ihm darin überein, dass es noch schlimmer gewesen wäre, wenn er lauter gesprochen hätte. Sie saß zitternd da, die
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