Die Königliche (German Edition)
blickte erneut zum Tisch hinüber, von wo aus Bann und Helda sie mit ruhigem Blick betrachteten. »Sie essen nicht genug, Königin«, sagte Helda. »Sie haben Ihren Appetit verloren, und wenn ich das sagen darf, Lord Giddon ebenfalls.«
»Was?«, rief Bitterblue. »Giddon, warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Er hat mich auch um ein Mittel gegen Kopfschmerzen gebeten«, fügte Bann hinzu.
»Hört auf, ihr beiden«, sagte Giddon verärgert. »Königin, Sie laufen die ganze Zeit mit diesem schrecklich verschlossenen Ausdruck in den Augen herum. Bei der kleinsten Kleinigkeit zucken Sie zusammen.«
»Jetzt verstehe ich«, sagte sie. »Jetzt verstehe ich sie alle. Und ich habe sie bedrängt. Ich habe sie dazu gezwungen, sich zu erinnern.«
»Das ist nicht Ihre Schuld«, sagte Giddon. »Eine Königin braucht Menschen um sich, die keine Angst vor den notwendigen Fragen haben.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte Bitterblue mit brüchiger Stimme. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Sie müssen ein paar Kriterien aufstellen«, schlug Bann vor, »die Sie Todd geben können. Um die Fakten herauszupicken, die Sie jetzt kennen müssen, um die unmittelbaren Bedürfnisse Ihres Königreichs anzugehen – und nur diese Fakten.«
»Helft ihr mir dabei?«
»Natürlich tun wir das«, sagte Bann.
»Ich habe schon herausgearbeitet, was das für Kriterien sein müssten«, sagte Helda mit einem bestimmten Nicken, während Giddon sich erleichtert aufs Sofa sinken ließ.
Es war ein Prozess, der eine ganze Menge Diskussionen mit sich brachte, Diskussionen, die Bitterblue ein Trost waren, weil sie logisch waren und die Welt um sie herum wieder festigten. Anschließend gingen sie zu Todd in die Bibliothek. Der unaufhörliche, langsame und lautlose winterliche Schneefall hielt an. Im großen Schlosshof hob Bitterblue das Gesicht zu den Glasdächern. Der Schnee rutschte herab. Sie wurde von Trauer erfasst, den Ausläufern von Trauer – einer so tiefen Trauer, dass sie im Moment nicht in der Lage war, sie in Gänze zuzulassen.
Sie würde so tun, als wäre sie dort oben im Himmel, über den Schneewolken, und würde auf Monsea herabschauen wie der Mond oder die Sterne. Sie würde so tun, als bedeckte der Schnee Monsea wie Verbände, angelegt von Madlens sanften Händen, damit Monsea unter dieser warmen, weichen Decke anfangen konnte zu heilen.
Am nächsten Morgen stand Thiel aufrecht und arbeitsam an seinem Stehpult und blätterte Papiere durch.
»Ich werde Ihnen keine weiteren Fragen über Lecks Herrschaft stellen«, sagte Bitterblue zu ihm.
Thiel wandte sich um und sah sie erstaunt an. »Ni…nicht, Königin?«
»Mir tut jedes einzelne Mal leid, als ich Sie gezwungen habe, sich an etwas zu erinnern, das Sie lieber vergessen möchten«, sagte sie. »Soweit es in meiner Macht steht, werde ich versuchen, das nicht wieder zu tun.«
»Vielen Dank, Königin«, entgegnete er, immer noch erstaunt. »Warum? Ist etwas passiert?«
»Ich werde stattdessen andere Leute fragen«, sagte sie. »Ich werde mir ein paar neue Leute suchen, Thiel, um mir in den Angelegenheiten zu helfen, die für diejenigen unter Ihnen, die bereits unter Leck gearbeitet haben, zu schmerzlich sind. Und vielleicht ein paar Stadtbewohner, die mich gezielt über Angelegenheiten der Stadt informieren können und mir helfen, einige dieser Geheimnisse zu lüften.«
Thiel starrte sie an und umklammerte die Feder mit beiden Händen. Er sah irgendwie so einsam aus und so unglücklich. »Thiel!«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Sie bleiben selbstverständlich mein wichtigster Mann. Aber ich habe gemerkt, dass ich gerne eine größere Bandbreite an Ratschlägen und Ideen hätte, verstehen Sie?«
»Natürlich verstehe ich das, Königin.«
»Ich werde mich jetzt mit einigen von ihnen in der Bibliothek treffen«, sagte sie und erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich habe sie hergebeten. Oh, bitte, Thiel«, fügte sie hinzu und hätte ihn am liebsten berührt. »Nun schauen Sie nicht so. Ich kann auf Sie nicht verzichten, versprochen, und Sie brechen mir das Herz.«
In ihrer Bibliotheksnische standen Tilda und Teddy, Bruder und Schwester, und starrten ungläubig die endlosen Reihen Bücher an. Ihre Gesichter strahlten vor Begeisterung.
»Ist Bren in der Druckerei geblieben?«, fragte Bitterblue.
»Wir hielten es für unklug, die Druckerei unbewacht zu lassen, Königin«, sagte Tilda.
»Und meine Lienid-Wache?«
»Einer ist zurückgeblieben, um Bren zu
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