Die Königliche (German Edition)
Diebe.«
Saf schnaubte. »Diebe, was? Wenn du endlich mit deinem Geschwätz aufhören würdest, könnten wir der Geschichte dieses Fabulierers zuhören. Die interessiert mich nämlich ziemlich.«
»Geschwätz« , wiederholte Teddy. Seine Augen leuchteten wie Sterne. » Geschwätz . Das muss ich noch auf meine Liste setzen. Ich glaube, das habe ich übersehen.«
»Paradox«, sagte Saf.
»Oh, paradox habe ich nicht übersehen.«
»Ich meine, es ist paradox, dass du ausgerechnet Geschwätz übersehen hast.«
»Klar«, sagte Teddy beleidigt. »Das ist wahrscheinlich so, wie wenn du eine Gelegenheit übersehen würdest, dir den Kopf einschlagen zu lassen, weil du dich benimmst, als wärst du die Reinkarnation von Prinz Bo. Ich bin Schriftsteller«, fügte er an Bitterblue gewandt hinzu.
»Halt den Mund, Teddy«, sagte Saf.
»Und Drucker«, fuhr dieser fort, »Leser, Lohnschreiber. Was immer die Leute brauchen, solange es was mit Wörtern zu tun hat.«
»Lohnschreiber?«, fragte Bitterblue. »Bezahlen dich Leute wirklich dafür, etwas für sie zu schreiben?«
»Sie bringen mir Briefe, die sie geschrieben haben, damit ich sie in etwas Lesbares verwandele«, sagte Teddy. »Und die Analphabeten bitten mich, ihnen zu helfen, ein Dokument zu unterschreiben.«
»Sollten Analphabeten Dokumente unterschreiben, die sie nicht lesen können?«
»Nein«, sagte Teddy, »wahrscheinlich nicht, aber sie tun es trotzdem, weil Vermieter, Arbeitgeber oder Pfandleiher es fordern, denen sie vertrauen, weil sie nicht gut genug lesen können, um eines Besseren belehrt zu werden. Deshalb arbeite ich auch als Leser.«
»Gibt es denn so viele Analphabeten in der Stadt?«
Teddy zuckte die Achseln. »Was meinst du, Saf?«
»Ich würde schätzen, dass etwa dreißig von hundert Leuten lesen können«, sagte Saf, den Blick fest auf den Geschichtenerzähler gerichtet, »und du redest zu viel.«
»Nur dreißig Prozent!«, rief Bitterblue aus. Das stimmte nicht mit den Statistiken überein, die sie kannte. »Es müssen doch mehr sein!«
»Entweder du bist neu in Monsea«, sagte Teddy, »oder du stehst immer noch unter König Lecks Bann. Oder du wohnst in einem Loch im Boden und kommst nur bei Nacht herausgekrochen.«
»Ich arbeite im Schloss«, improvisierte Bitterblue schnell, »und wahrscheinlich bin ich an die Verhältnisse im Schloss gewöhnt. Unter dem Dach der Königin können alle lesen und schreiben.«
»Hm«, sagte Teddy und blinzelte zweifelnd. »Na ja, die meisten Leute in der Stadt können gerade genug lesen und schreiben, um ihr Geschäft führen zu können. Ein Schmied kann eine Messerbestellung lesen und ein Bauer weiß, wie er seine Kisten mit Bohnen oder Mais beschriftet. Aber der Prozentsatz derjenigen, die diese Geschichte verstehen könnten, wenn man sie ihnen schriftlich geben würde«, sagte Teddy und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Geschichtenerzähler – Fabulierer hatte Saf ihn genannt –, »kommt Safs Schätzung wahrscheinlich ziemlich nahe. Eine von Lecks Hinterlassenschaften. Und eine der Triebfedern für mein Buch der Wörter.«
»Buch der Wörter?«
»O ja. Ich schreibe ein Buch der Wörter.«
Saf berührte Teddy am Arm. Augenblicklich, beinahe noch bevor Teddy seinen Satz beendet hatte, ließen sie sie einfach stehen, so plötzlich, dass Bitterblue nicht mehr fragen konnte, ob es jemals ein Buch gegeben hatte, das kein Buch der Wörter war.
Von der Tür aus warf Teddy ihr einen einladenden Blick zu. Sie lehnte mit einem Kopfschütteln ab, während sie versuchte, ihren Ärger zu verbergen, denn sie war sicher, gerade beobachtet zu haben, wie Saf einem Mann etwas unter dem Arm hervorgezogen und es in seinen Ärmel geschoben hatte. Was war es diesmal? Es hatte ausgesehen wie eine Rolle Papiere.
Es spielte keine Rolle. Was auch immer diese beiden im Schilde führten, es war bestimmt nichts Gutes, und sie würde entscheiden müssen, was sie mit ihnen machte.
Der Fabulierer begann eine neue Geschichte. Bitterblue stellte erschrocken fest, dass es schon wieder die Geschichte von Lecks Herkunft und seinem Aufstieg an die Macht war. Der Fabulierer dieser Nacht erzählte sie nur ein bisschen anders als der letzte. Sie hörte gut zu in der Hoffnung, dass dieser Mann etwas Neues sagen, ein fehlendes Bild oder Wort hinzufügen würde, einen Schlüssel, der sich in einem Schloss drehte und eine Tür öffnete, hinter der all ihre Erinnerungen und alles, was man ihr erzählt hatte, einen Sinn
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