Die Königliche (German Edition)
was Thiel getan hatte. »Verrat.«
Mama , dachte sie. Ich verstehe das nicht. Wie kann Thiel ein solcher Lügner sein, wo du ihn doch geliebt und ihm vertraut hast? Wo er uns bei der Flucht geholfen hat? Wo er so nett und freundlich zu mir gewesen ist und mir versprochen hat, mich nie wieder zu belügen? Ich verstehe nicht, was los ist. Wie kann das sein?
Die Außentür ging knarrend auf. »Helda?«, flüsterte sie. »Helda?«, sagte sie erneut mit festerer Stimme.
Es kam keine Antwort. Als sie aufstand und zur Schlafzimmertür ging, drang ein eigenartiges Geräusch aus ihrem Wohnzimmer an ihr Ohr. Metall, das auf Teppich fällt. Bitterblue rannte in den Vorraum und blieb stehen, als Thiel aus dem Wohnzimmer gelaufen kam. Bei ihrem Anblick hielt er ebenfalls inne. Seine Arme waren voller Papier und seine Augen waren verwirrt, bekümmert und beschämt. Er richtete diese Augen auf ihr Gesicht.
Bitterblue stand wie erstarrt da. »Wie lange belügen Sie mich schon?«
Er antwortete im Flüsterton: »Seit Sie Königin sind.«
Bitterblue schrie auf. »Sie sind nicht besser als mein Vater! Ich hasse Sie! Sie haben mir das Herz gebrochen.«
»Bitterblue«, sagte er. »Vergeben Sie mir, was ich getan habe und was ich tun muss.«
Dann trat er durch die Tür und war weg.
Bitterblue rannte ins Wohnzimmer. Die Kopie der Krone lag auf dem Teppich und die Seiten mit Todds Übersetzung waren weg.
Sie rannte zurück in den Vorraum und zur Außentür hinaus. Sie war beinahe am Ende des Flurs angelangt, als sie umkehrte, an ihrer erschrockenen Lienid-Wache vorbeirannte und an Giddons Tür hämmerte. Immer wieder hämmerte. Giddon zog die Tür auf, zerzaust, barfuß und eindeutig nur halb wach.
»Könnten Sie bitte in die Bibliothek gehen«, sagte sie, »und sich vergewissern, dass Todd in Sicherheit ist?«
»In Ordnung«, erwiderte er schläfrig und verwirrt.
»Wenn Sie Thiel sehen«, sagte sie, »halten Sie ihn fest und lassen Sie ihn nicht weg. Er hat von den Tagebüchern erfahren und es sind tausend Dinge passiert und ich glaube, er versucht irgendetwas Fürchterliches zu tun, Giddon, aber ich weiß nicht, was.« Dann rannte sie weiter.
Sie platzte in die unteren Schreibzimmer. »Wo ist Thiel?«, rief sie.
Alle Gesichter im Raum sahen sie an. Rood stand auf und sagte leise: »Wir dachten, er wäre bei Ihnen, Königin. Er hat uns gesagt, er wolle Sie suchen und mit Ihnen reden.«
»Er war da und ist dann wieder weggelaufen«, sagte Bitterblue. »Ich weiß nicht, wo er hin ist oder was er vorhat. Wenn er auftaucht, bitte lassen Sie ihn nicht gehen. Bitte?«, sagte sie und wandte sich an Holt, der auf einem Stuhl neben der Tür saß und sie benommen ansah. Bitterblue packte Holt am Arm. »Bitte«, bat sie, »Holt, lassen Sie ihn nicht gehen.«
»Nein, Königin, ich lasse ihn nicht weg«, sagte Holt.
Ohne beruhigt zu sein, rannte Bitterblue hinaus.
Als Nächstes ging sie zu Thiels Zimmer, aber da war er auch nicht.
Als sie in den großen Schlosshof kam, schlug ihr eiskalte Luft entgegen. Mitglieder der Feuerwache rannten in die Bibliothek und heraus.
Bitterblue eilte hinter ihnen her, rannte durch Rauch und sah, wie Giddon sich auf dem Boden über Todds Körper beugte. »Todd«, rief sie und lief zu ihnen. Mit klirrendem Schwert warf sie sich zu Boden. »Todd!«
»Er lebt«, sagte Giddon.
Vor Erleichterung zitternd umarmte Bitterblue ihren bewusstlosen Bibliothekar und küsste ihn auf die Wange. »Wird er wieder gesund?«
»Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen und seine Hände sind aufgeschürft, aber das scheint alles zu sein. Geht es Ihnen gut? Das Feuer ist gelöscht, aber der Rauch ist immer noch dicht.«
»Wo ist Thiel?«
»Er war schon weg, als ich hier ankam, Königin«, sagte Giddon. »Der Schreibtisch stand in Flammen und Todd lag dahinter auf dem Boden, also habe ich ihn weggezogen. Dann bin ich in den Schlosshof hinausgerannt, habe nach der Feuerwache gerufen und einem armen Kerl den Mantel gestohlen, um das Feuer zu ersticken. Es tut mir leid, Königin, aber ein Großteil der Tagebücher wurde zerstört.«
»Das macht nichts«, sagte Bitterblue. »Sie haben Todd gerettet.« Und dann blickte sie Giddon zum ersten Mal direkt an und schrie auf, weil seine Wange von Kratzern überzogen war.
»Das war nur der Kater, Königin«, sagte er. »Das blöde Viech hatte sich unter dem brennenden Tisch versteckt.«
Bitterblue schlang die Arme um Giddon. »Sie haben Lovejoy gerettet.«
»Ja, sieht so
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