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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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nutzlose Karte«, sagte sie, rollte sie wieder zusammen und schob sie zur Seite.
    Später, als Runnemood zu irgendeiner Verabredung gegangen war und Thiel mit dem Rücken zu ihr und den Gedanken sonst wo steif an seinem Stehpult stand, steckte Bitterblue den kleinen Plan in die Tasche ihres Kleides. Es war keine nutzlose Karte. Es war ein wunderbarer weicher kleiner Plan mit allen wichtigen Straßen der Stadt, perfekt geeignet für unterwegs.
    In jener Nacht ging sie zum Friedhof in der Oststadt. Die Wege waren beleuchtet, aber nur sehr schwach, und der Himmel war mondlos; daher konnte sie die Aufschriften nicht lesen. Während sie zwischen den namenlosen Toten umherwanderte, versuchte sie herauszufinden, wie »Verbrennen versus Beerdigen« auf die Liste ihrer Rätselteile passen könnte. Es kam ihr langsam so vor, als bedeutete »nach vorn schauen« zu oft, dass man vermied, überhaupt über etwas nachzudenken – vor allem über Dinge, denen gründliches Nachdenken guttäte. Was hatte Danzhol über die Unabhängigkeitsurkunden der Städte gesagt? Sie seien ein Garant für rücksichtsvolle Nachlässigkeit seitens der Königin? Ihre Nachlässigkeit Danzhol gegenüber hatte in der Tat katastrophale Folgen gehabt. Gab es Leute, die sie etwas genauer in Augenschein nehmen musste?
    Sie stolperte über ein Grab mit locker aufgehäufter Erde. Ein kürzlich Verstorbener. Wie traurig , dachte sie. Dass der Leichnam eines Verstorbenen in der Erde verschwindet, hat etwas schrecklich Trauriges, aber auch Richtiges an sich. Einen Leichnam zu verbrennen war auch traurig. Und trotzdem hatte Bitterblue tief in ihrem Inneren das Gefühl, dass Verbrennen ebenfalls richtig war.
    Niemand, der Mama geliebt hat, war dabei, um ihr das letzte Geleit zu geben. Sie ist alleine verbrannt.
    Bitterblue hatte den Eindruck, ihre Füße seien auf diesem Friedhof festgewachsen, als wäre sie ein Baum, unfähig sich zu rühren; als wäre ihr Körper ein Grabstein, massiv und schwer.
    Ich habe sie zurückgelassen, allein mit Lecks vorgetäuschter Trauer. Ich sollte nicht immer noch diese Gefühle haben , dachte sie mit einem unvermittelten Anfall von Zorn. Das ist Jahre her.
    »Sparks?«, sagte eine Stimme hinter ihr. Als sie sich umdrehte, stand sie Sapphire gegenüber.
    Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. »Was machst du hier?«, rief sie. »Doch nicht Teddy!«
    »Nein!«, sagte Saf. »Keine Sorge. Teddy geht es ziemlich gut für jemanden, der aufgeschnitten worden ist.«
    »Was dann?«, fragte sie. »Bist du ein Grabräuber?«
    Er schnaubte. »Sei nicht albern. Es ist eine Abkürzung. Ist alles in Ordnung, Sparks? Tut mir leid, wenn ich dich bei irgendwas unterbrochen habe.«
    »Hast du nicht.«
    »Du weinst.«
    »Tu ich nicht.«
    »Okay«, sagte er sanft. »Dann bist du wohl in den Regen geraten.«
    Irgendwo in der Stadt schlug eine Uhr Mitternacht. »Wo willst du hin?«, fragte Bitterblue.
    »Nach Hause.«
    »Dann lass uns gehen«, sagte sie.
    »Sparks«, erwiderte er, »du kannst nicht mitkommen.«
    »Verbrennst du deine Toten«, fragte sie, ohne darauf einzugehen, während sie vor ihm den Friedhof verließ, »oder beerdigst du sie?«
    »Nun, das hängt davon ab, wo ich bin. In Lienid ist es üblich, die Menschen im Meer zu bestatten. In Monsea ist es üblich, sie zu beerdigen.«
    »Woher kennst du die alten Traditionen von Monsea?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen; ich hätte nicht damit gerechnet, dass du das weißt. Allerdings halte ich bei dir alles für möglich, Sparks«, fügte er hinzu, wobei seine Stimme einen erschöpften, düsteren Ton annahm. »Wie geht es deiner Mutter?«
    »Was?«, fragte sie erschrocken.
    »Ich hoffe, deine Tränen haben nichts mit deiner Mutter zu tun. Geht es ihr gut?«
    »Oh«, sagte Bitterblue, als ihr wieder einfiel, dass sie ja ein Bäckermädchen aus dem Schloss war. »Ja, es geht ihr gut. Ich habe sie heute Abend gesehen.«
    »Das ist es also nicht?«
    »Saf«, sagte sie, »nicht alle Bewohner des Schlosses können lesen.«
    »Wie bitte?«
    Sie wusste nicht, warum sie das jetzt sagte; sie wusste nicht, warum sie es überhaupt sagte. Bis zu diesem Augenblick war ihr noch nicht mal bewusst gewesen, dass sie es glaubte. Sie hatte einfach das Bedürfnis, ihm etwas Ehrliches zu sagen, etwas Ehrliches und Trauriges, denn fröhliche Lügen deprimierten sie heute Nacht zu sehr und stachen sie wie spitze Nadeln. »Ich habe neulich behauptet, dass alle unter dem Dach der Königin lesen können«, erklärte sie.

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