Die Königliche (German Edition)
Gesicht, ihre Kapuze und ihre Schultern und war voller Fragen.
Ihr wurde klar, was er tat. Er überlegte, ob er ihr trauen konnte oder nicht. Als er in seine Manteltasche griff und ihr ein kleines Bündel reichte, stellte sie fest, dass sie es plötzlich gar nicht wollte, egal, was es war.
»Nein«, sagte sie und schob seine Hand weg.
Störrisch drückte er es ihr in die Hand. »Was ist los mit dir? Mach’s auf.«
»Das wäre zu viel Wahrheit, Saf«, sagte sie eindringlich. »Das wäre nicht ausgeglichen.«
»Machst du Witze?«, fragte er. »Das ist Blödsinn. Du hast Teddy das Leben gerettet. Zwischen uns werden die Dinge nie ausgeglichen sein. Das ist kein großartiges dunkles Geheimnis, Sparks. Da steht nichts drin, was ich dir nicht schon gesagt habe.«
Ihr war zwar trotzdem unbehaglich zu Mute, aber sie zählte auf sein Versprechen und knotete das Bündel auf. Es enthielt drei klein zusammengefaltete Blätter Papier. Sie stellte sich näher an eine Straßenlaterne. Dann stand sie dort in wachsender Verzweiflung, während die Papiere ihr sofort tausend Dinge erzählten, die Saf ihr nicht gesagt hatte.
Es war eine dreiseitige Tabelle aus drei Spalten. Die linke Spalte war einfach eine alphabetische Namensliste. Die rechte Spalte führte Daten auf, die alle in die Jahre von Lecks Herrschaft fielen. Die Eintragungen in der mittleren Spalte, die vermutlich jeweils zu dem Namen auf der linken gehörten, waren schwieriger zu bestimmen. Neben dem Namen »Alderin, Bauer«, stand: »3 Hütehunde, 1 Schwein.« Neben dem zweiten Eintrag von »Alderin, Bauer«, stand: »Buch: Küssen in Monsea «. Neben dem Namen »Annis, Lehrer«, stand: »Gretel, 9«. Neben »Barrie, Tintenfabrikant«: »Tinte aller Art, zu viel, um Menge genau zu beziffern.« Neben »Bessit, Lohnschreiber«: »Buch: Chiffren und Codes von Monsea ; Papier: zu viel, um es genau zu beziffern.«
Es war eine Inventarliste. Nur, dass in der mittleren Spalte der aufgelisteten Gegenstände ebenso viele Menschen – »Mara, 11«, »Cress, 10« – wie Bücher, Papier, Vieh und Geld aufgeführt waren. Fast alle waren Kinder. Mädchen.
Und das war nicht alles, was dieses Papier ihr verriet, bei weitem nicht, denn Bitterblue erkannte die Handschrift. Sogar das Papier und die Tinte. An solche Dinge erinnerte man sich, wenn man einen Lord erstochen hatte; man erinnerte sich daran, dem Lord, bevor man ihn getötet hatte, vorgeworfen zu haben, die Bücher und das Vieh seiner Untergebenen gestohlen zu haben. Sie hielt sich die Liste unter die Nase und wusste bereits, wie das Papier riechen würde: genau wie der Unabhängigkeitsantrag der Bewohner von Danzhols Stadt.
Ein einzelnes Puzzleteil fügte sich ein. »Das ist eine Inventurliste von Dingen, die Leck gestohlen hat?«, fragte Bitterblue zittrig.
»In diesem Fall hat jemand anders sie gestohlen, aber es ist eindeutig in Lecks Auftrag erfolgt. Dies ist die Art von Dingen, die Leck gesammelt hat, und die kleinen Mädchen beweisen es, meinst du nicht?«
Aber – warum hatte Danzhol ihr dann nicht einfach gesagt, dass er die Stadtbewohner in Lecks Auftrag bestohlen hatte? Dass Lecks Gier für seinen Ruin verantwortlich war? Warum versteckte er sich hinter Andeutungen, wenn er sich mit dieser Wahrheit hätte verteidigen können? Sie hätte ihn angehört, ganz egal, wie verrückt oder widerwärtig er war. Und warum hatten Danzhols Untertanen in ihrem Antrag zwar das fehlende Vieh erwähnt, nicht jedoch ihre fehlenden Töchter? Sie hatte angenommen, dass Leck Leute aus dem Schloss und der Stadt entführt hatte. Das waren die Menschen, die in den Geschichten der Fabulierer vorkamen. Sie hatte nicht gewusst, dass sein langer Arm bis zu den weit entfernten Landgütern seiner Lords reichte.
Und das war noch nicht alles. »Und warum stiehlst du diese Dinge zurück?«, fragte sie verzweifelt. »Warum bekommst du diese Liste und nicht die Königin?«
»Was soll die Königin denn da machen?«, fragte Saf. »Diese Dinge wurden während Lecks Herrschaft gestohlen. Die Königin hat eine Generalamnestie für alle Verbrechen, die während Lecks Herrschaft begangen wurden, erlassen.«
»Aber die Amnestie gilt doch nicht für Lecks Verbrechen!«
»Was hat Leck schon je selbst verbrochen? Du glaubst doch nicht, dass er selbst rumgegangen ist, um Fenster einzuschlagen und Bücher zu klauen? Wie gesagt, diese Dinge wurden von jemand anderem gestohlen. Von diesem Lord übrigens, der gerade versucht hat, die Königin zu
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