Die Königliche (German Edition)
»Inzwischen … sind mir Zweifel gekommen.«
»Also gut«, sagte er misstrauisch. »Ich wusste gleich, dass das reine Fantasie ist, und Teddy auch. Warum gibst du es jetzt zu?«
»Saf.« Sie blieb mitten auf der Straße stehen und drehte sich zu ihm um, weil sie es jetzt plötzlich wissen musste: »Warum habt ihr diesen Wasserspeier gestohlen?«
»Hm«, sagte er auf unamüsierte Weise amüsiert. »Was für ein Spiel spielst du heute Nacht, Sparks?«
»Das ist kein Spiel«, entgegnete Bitterblue jämmerlich. »Ich will nur, dass die Dinge einen Sinn ergeben. Hier.« Sie zog ein kleines Päckchen aus der Tasche und drückte es Saf in die Hand. »Die sind von Madlen.«
»Mehr Arzneien?«
»Ja.«
Während Saf dastand und die Arzneien betrachtete, schien er über etwas nachzudenken. Dann warf er ihr einen Blick zu. »Was hältst du von einem Spiel, Wahrheit gegen Wahrheit?«, fragte er.
Davon hielt sie überhaupt nichts. »Wie viele Runden?«
»Drei, und wir müssen beide schwören, ehrlich zu sein. Du musst beim Leben deiner Mutter schwören.«
Na, dann , dachte sie. Wenn er zu sehr in mich dringt, kann ich lügen, denn meine Mutter ist tot. Er würde schließlich auch lügen, wenn ich zu sehr in ihn dringe , fügte sie störrisch hinzu, um dem Teil in ihr, der darauf bestand, dass man ein solches Spiel ehrlich spielen sollte, etwas entgegenzusetzen. »Also gut«, sagte sie. »Warum habt ihr den Wasserspeier gestohlen?«
»Nein, ich fange an, weil das Spiel meine Idee war. Spionierst du für die Königin?«
»Bei allen Meeren!«, sagte Bitterblue. »Nein.«
»Das ist alles? Ein ›Nein‹?«
Sie starrte wütend in sein grinsendes Gesicht. »Ich spioniere nur für mich selbst«, sagte sie, wobei ihr zu spät auffiel, dass ihre eigene Spionin unweigerlich auch die der Königin war. Ärgerlich, weil sie sich schon jetzt bei einer Lüge ertappt hatte, fügte sie hinzu: »Ich bin dran. Der Wasserspeier. Warum?«
»Hm. Lass uns ein Stück gehen.« Er zeigte die Straße entlang.
»Du darfst meiner Frage nicht ausweichen.«
»Ich weiche ihr nicht aus. Ich versuche nur eine Antwort zu finden, die niemand anderen belastet. Leck hat gestohlen«, fuhr er fort und die Willkürlichkeit der Aussage erschreckte sie. »Er nahm sich alles, was er wollte – Messer, Kleidung, Pferde, Papier. Er stahl den Leuten ihre Kinder. Er zerstörte ihren Besitz. Er heuerte Leute an, die die Brücken für ihn bauten, und bezahlte sie nie. Er heuerte Künstler an, um sein Schloss zu verschönern – und bezahlte auch sie nie.«
»Verstehe.« Bitterblue versuchte zu begreifen, was hinter seiner Aussage stand. »Habt ihr einen Wasserspeier vom Schloss gestohlen, weil Leck den Künstler, der ihn gemacht hat, nie bezahlt hat?«
»Im Prinzip ja«, sagte Saf.
»Aber … was habt ihr damit gemacht?«
»Wir geben die Dinge ihren rechtmäßigen Besitzern zurück.«
»Das heißt, es gibt irgendwo einen Wasserspeierkünstler, dem ihr seine Wasserspeier zurückbringt? Was soll er denn damit jetzt noch anfangen?«
»Frag mich nicht«, sagte Saf. »Ich habe nie verstanden, wozu Wasserspeier gut sein sollen. Sie sind unheimlich.«
»Sie sind schön!«, entgegnete Bitterblue entrüstet.
»Also gut!«, sagte Saf. »Wie auch immer. Sie sind auf unheimliche Art schön. Ich weiß nicht, was er damit will. Er hat uns nur um ein paar seiner Lieblingsstücke gebeten.«
»Ein paar? Vier?«
»Vier von der Ostseite, zwei von der Westseite und einen von der Südseite, den wir noch nicht stehlen konnten und in Zukunft wahrscheinlich auch nicht mehr können. Die Wachen auf den Mauern sind verstärkt worden, seit wir den letzten mitgenommen haben. Sie haben offenbar endlich bemerkt, dass die Wasserspeier fehlen.«
War es bemerkt worden, weil Bitterblue darauf hingewiesen hatte? Hatten ihre Ratgeber für mehr Wachen gesorgt? Aber warum sollten sie das tun, außer sie glaubten, dass die Wasserspeier wirklich gestohlen worden waren? Und wenn sie es glaubten, warum hatten sie dann gelogen?
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken, Sparks?«, fragte Saf.
»Das heißt, die Leute bitten dich um Sachen«, wiederholte Bitterblue. »Sie fragen nach konkreten Gegenständen, die Leck gestohlen hat, und du stiehlst die Gegenstände für sie zurück?«
Saf betrachtete sie. Heute Nacht lag ein neuer Ausdruck in seiner Miene. Aus irgendeinem Grund machte ihr das Angst. Sein Blick, der bisher immer hart und misstrauisch gewesen war, war sanfter, berührte ihr
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