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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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schmerzten, als hätte sie eine von Katsas Kampfstunden hinter sich. Ich habe heute einen Mann getötet , dachte sie und bei diesem Gedanken liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie weinte ungehemmt, ein Kissen im Arm, und presste das Gesicht an Ashens Stickerei.
    Nach einer Weile stabilisierten sich ihre Gefühle um einen merkwürdigen kleinen tröstlichen Gedanken. Mama musste einst auch einen Mann töten. Ich habe nichts anderes getan als sie.
    In der Tasche ihres Kleids knisterte Papier. Sie wischte sich die Tränen ab, holte Teddys seltsame Worte heraus und hielt sie fest in einer Faust. Ein kleiner Entschluss flackerte in ihrer Brust auf. Sie war eine Rätsellöserin, und eine Wahrheitssucherin ebenfalls. Sie wusste zwar nicht, was Teddy damit gemeint hatte, aber sie wusste, was sie meinte. Sie tastete herum, bis sie eine Lampe angezündet hatte, fand Feder und Tinte, drehte das Blatt Papier um und schrieb:
    TEILE DES RÄTSELS
    Teddys Worte. Wer sind meine »ersten Männer«? Was hat er mit schneiden und nähen gemeint? Bin ich in Gefahr? Wessen Opfer bin ich?
    Danzhols Worte. Was hat er gesehen? War er auf irgendeine Art Lecks Komplize? Was hat er zu sagen versucht?
    Teddys und Safs Verhalten. Warum haben sie einen Wasserspeier und anderes gestohlen? Was bedeutet es, dass sie stehlen, was bereits gestohlen wurde?
    Darbys Aufzeichnungen. Hat er mich belogen, als er sagte, die Wasserspeier seien nie dort gewesen?
    Allgemeine Fragen. Wer hat Teddy angegriffen?
    Dinge, die ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Warum verfällt die Oststadt und wird trotzdem verschönert? Warum hat Leck das Schloss so seltsam gestaltet?
    Was hat Leck GETAN?
    Hierzu notierte sie ein paar Anmerkungen.
    Tiere gequält. Leute verschwinden lassen. Druckereien in Brand gesetzt. (Brücken gebaut. Das Schloss renoviert.) Im Ernst, wie soll ich wissen, wie ich mein Königreich regieren soll, wenn ich keine Ahnung habe, was zu Lecks Zeit passiert ist? Wie soll ich verstehen, was mein Volk braucht? Wie kann ich mehr herausfinden? In den Erzählstuben? Sollte ich erneut meine Ratgeber fragen, auch wenn sie mir nicht antworten werden?
    Langsam und in kleinen Buchstaben fügte sie eine weitere Frage hinzu.
    Was ist Safs Gabe?
    Dann kehrte sie wieder zu ihrer längeren Liste zurück und schrieb:
    Warum sind alle verrückt? Danzhol. Holt. Richter Quall. Ivan, der Ingenieur, der die Grabsteine mit den Wassermelonen vertauscht hat. Darby. Rood. Obwohl, fragte sie sich, war es verrückt, gelegentlich zu viel zu trinken oder schwache Nerven zu haben? Bitterblue strich das Wort verrückt durch und ersetzte es durch eigenartig . Allerdings müsste sie dann alle auf die Liste setzen. Alle waren eigenartig. In einem Anfall von Missmut strich sie eigenartig wieder durch und schrieb in großen Buchstaben SPINNER . Dann fügte sie der Vollständigkeit halber Thiel und Runnemood, Saf, Teddy, Bren, Tilda, Todd und Bo hinzu.



Irgendein wunderbarer Mensch hatte jegliche Spur von Danzhols Blut auf Bitterblues steinernem Fußboden entfernt. Selbst als sie danach suchte, entdeckte sie nichts.
    Sie las noch einmal sorgfältig Wort für Wort den Unabhängigkeitsantrag und unterschrieb ihn dann. Es hatte keinen Sinn mehr, es nicht zu tun.
    »Was machen wir mit seiner Leiche?«, fragte sie Thiel.
    »Sie ist verbrannt worden, Königin.«
    »Was? Schon? Warum bin ich nicht informiert worden? Ich wäre gern zu der Zeremonie gegangen.«
    Die Tür zum Turmzimmer ging auf und Todd, der Bibliothekar, kam herein.
    »Ich fürchte, wir konnten mit dem Verbrennen der Leiche nicht warten, Königin«, sagte Thiel. »Es ist erst September.«
    »Und es unterschied sich in nichts von jeder anderen Feuerbestattung, Königin«, fügte Runnemood vom Fenster aus hinzu.
    »Darum geht es nicht!«, sagte Bitterblue. »Ich habe den Mann umgebracht, verflixt noch mal. Ich hätte bei der Verbrennung dabei sein müssen.«
    »Es ist eigentlich gar nicht Tradition in Monsea, die Toten zu verbrennen, Königin«, warf Todd ein. »Das war es noch nie.«
    »Blödsinn«, sagte Bitterblue, die jetzt wirklich wütend war. »Wir alle nehmen Feuerbestattungen vor.«
    »Es ist vermutlich nicht sehr diplomatisch, der Königin zu widersprechen«, erwiderte Todd mit so unverhohlenem Sarkasmus, dass Bitterblue ihn vor Überraschung starr ansah. Dieser Mann, knapp siebzig, hatte so papierne Haut wie ein Neunzigjähriger. Seine verschiedenfarbigen Augen waren immer trocken und blinzelten, eins grün wie

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