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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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weit weg von hier, in einer regnerischen Gasse bei einem jungen Mann unter einer flackernden Laterne. Verlegen hob sie eine Hand an ihren geröteten Hals. »Ja«, entgegnete sie. »Und ich möchte mich nicht jedes Mal mit Ihnen streiten müssen. Sie müssen mir mehr zu tun geben, als nur Papiere durchzublättern, Thiel, sonst werde ich verrückt.«
    »Es ist eine Frage der Zeit, Königin, wie Sie wissen. Aber Rood sagt, am Obersten Gericht findet heute ein Mordprozess statt«, fügte Thiel wohlwollend hinzu, als er die Enttäuschung auf ihrem Gesicht bemerkte. »Warum gehen Sie nicht dorthin und morgen denken wir uns was Nützliches aus?«
    Der Angeklagte war ein zitternder Mann mit einer Vorgeschichte an auffälligem Verhalten und einem Geruch, den Bitterblue zu ignorieren versuchte. Er hatte am helllichten Tag einen Wildfremden niedergestochen, ohne erklären zu können, warum. Ihm war einfach gerade danach gewesen. Da er keinen Versuch machte, die Anklage zu leugnen, wurde er einstimmig verurteilt.
    »Werden Mörder eigentlich immer hingerichtet?«, fragte Bitterblue Quall zu ihrer Rechten.
    »Ja, Königin.«
    Bitterblue sah zu, wie die Wachen den zitternden Mann abführten, schockiert, wie kurz der Prozess gewesen war. So wenig Zeit, so wenige Erklärungen waren nötig, um einen Mann zum Tode zu verurteilen. »Warten Sie«, sagte sie.
    Die beiden Wachen, die den zitternden Mann einrahmten, blieben stehen und drehten ihn noch mal zur Königin um. Sie betrachtete den Gefangenen, dessen Augen sich immer wieder wegdrehten, als er versuchte, sie anzusehen.
    Er war abstoßend und hatte etwas Abscheuliches getan. Aber hatte außer ihr niemand hier das ungute Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung war?
    »Bevor dieser Mann hingerichtet wird«, sagte sie, »möchte ich, dass meine Heilerin Madlen ihn untersucht und bestimmt, ob er bei Verstand ist. Ich möchte keinen Menschen hinrichten lassen, der nicht in der Lage ist, vernünftig zu denken. Das wäre ungerecht. Und ich erwarte, dass zumindest versucht wird herauszufinden, was die Gründe für eine so sinnlose Tat waren.«
    Später an diesem Tag waren Runnemood und Thiel ausgesprochen freundlich zu ihr, schienen jedoch in der Gegenwart des jeweils anderen befangen und vermieden es, miteinander zu sprechen. Bitterblue fragte sich, ob sie sich gestritten hatten. Stritten ihre Ratgeber manchmal miteinander? Sie hatte bisher nie einen Streit zwischen ihnen beobachtet.
    »Königin«, sagte Rood gegen Abend, als sie kurz allein waren. Rood hatte sicher mit niemandem Streit. Er war den ganzen Tag sanftmütig herumgelaufen und hatte versucht, allen aus dem Weg zu gehen. »Es freut mich, dass Sie so gütig sind.«
    Das machte Bitterblue sprachlos. Sie war nicht gütig. Sie war weitgehend unwissend, gefangen hinter Dingen, die sie nicht wusste, gefangen hinter Dingen, die sie zwar wusste, aber von denen sie nicht zugeben konnte, dass sie sie wusste, sie war eine Lügnerin – und sie wollte nützlich, rational und hilfreich sein. Wenn sich eine Situation auftat, in der sie Richtig und Falsch eindeutig bestimmen konnte, würde sie sich daran festklammern. Die Welt bot ihr nicht genug Anker, um einen ziehen zu lassen.
    Sie hoffte, dass das Ratstreffen ein weiterer Anker sein würde.
    Um Mitternacht schlich sich Bitterblue über Treppen und schwach beleuchtete Flure zu Katsas Räumen. Als sie sich Katsas Tür näherte, ging diese auf und Bo erschien. Das hier waren nicht Katsas übliche Räume; normalerweise schlief Katsa in Zimmern, die an Bos grenzten, in der Nähe von Bitterblue und all ihren persönlichen Gästen, aber Bo hatte aus irgendeinem Grund dafür gesorgt, dass Katsa diesmal Räume im Südflügel bezog, und Bitterblue eine Nachricht geschickt.
    »Biber«, sagte Bo, »kennst du den Geheimgang hinter Katsas Badezimmer?«
    Kurz darauf sah Bitterblue voller Erstaunen, wie Bo und Katsa in Katsas Badewanne kletterten. Auch die Badewanne selbst war ziemlich erstaunlich, von Kacheln gesäumt, die mit bunten Insekten verziert waren, die so echt aussahen, dass Bitterblue sich nicht vorstellen konnte, wie man hier entspannt baden sollte. Bo bückte sich und drückte auf etwas auf dem Boden hinter der Badewanne. Ein Klicken ertönte. Dann schwang ein Teil der Marmorwand hinter der Wanne auf und gab den Blick auf einen niedrigen Gang frei.
    »Wie habt ihr den gefunden?«, fragte Bitterblue.
    »Er führt hinauf zur Kunstgalerie und hinunter zur Bibliothek«, sagte Bo.

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