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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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anzeigte, und nicht sechzig, sondern fünfzig Minuten.
    »Möchtest du mir das vielleicht erklären?«
    »Oh«, sagte er, »das war eine von Lecks Spielsachen. Er hatte eine Künstlerin, die eine hervorragende Feinmechanikerin war und gerne an Chronometern herumtüftelte. Leck ließ sie Taschenuhren machen, die den Tag in fünfzehn Stunden einteilten, aber diese dafür schneller durchliefen, um den Unterschied auszugleichen. Offenbar mochte er es, wenn alle Leute in seiner Umgebung Blödsinn über die Zeit redeten und ihren eigenen Blödsinn auch noch glaubten. ›Es ist halb fünfzehn, König. Möchten Sie jetzt zu Mittag essen?‹ Solche Dinge eben.«
    Wie unheimlich, dass ihr das vertraut vorkam, jetzt, wo er es sagte. Es war keine Erinnerung, nichts Konkretes, nur ein Gefühl, dass sie solche Taschenuhren schon immer gekannt hatte, es aber in den letzten acht Jahren nicht für nötig befunden hatte, näher darüber nachzudenken. »Er hatte einen abartigen Sinn für Humor«, sagte sie.
    »In bestimmten Kreisen sind die jetzt sehr beliebt. Sie sind ein kleines Vermögen wert«, sagte Saf leise, »gelten aber als Diebesgut. Leck hat die Frau gezwungen, sie zu bauen, ohne sie dafür zu bezahlen. Dann hat er sie vermutlich ermordet wie die meisten seiner Künstler und die Uhren gehortet. Nach seinem Tod sind sie auf dem Schwarzmarkt gelandet. Ich beschaffe sie für die Familie der Frau wieder.«
    »Gehen sie richtig?«
    »Ja, aber man muss ganz schön kopfrechnen, um die richtige Zeit rauszubekommen.«
    »Ja«, sagte Bitterblue. »Wahrscheinlich könnte man alles in Minuten umrechnen. Zwölf mal sechzig ist siebenhundertzwanzig, und fünfzehn mal fünfzig ist siebendhundertfünfzig. Das heißt, unser Siebenhundertzwanzig-Minuten-Tag entspricht ihrem Siebenhundertfünfzig-Minuten-Tag. Also … Jetzt ist es auf dieser Uhr fast halb drei. Das sind insgesamt hundertfünfundzwanzig Minuten, die, wenn man sie durch siebenhundertfünfzig teilt, unserer Zeit in Minuten, geteilt durch siebenhundertzwanzig, entsprechen müssten … so, siebenhundertzwanzig mal hundertfünfundzwanzig ist … Moment … neunzigtausend … geteilt durch siebenhundertfünfzig … ist hundertzwanzig … das heißt … ja! Es geht genau auf, stimmt’s? Es ist zwei. Ich muss nach Hause.«
    Saf hatte während dieser Litanei angefangen zu kichern. Als dann auch noch wie gerufen eine Turmuhr in der Ferne zweimal schlug, brach er in Gelächter aus.
    »Ich fände es allerdings einfacher, auswendig zu lernen, welche Zeit was bedeutet«, fügte Bitterblue hinzu.
    »Natürlich«, entgegnete Saf immer noch kichernd.
    »Was ist daran so lustig?«
    »Eigentlich sollte mich inzwischen nichts mehr überraschen, was du sagst oder tust, oder, Sparks?«
    Seine Stimme war irgendwie sanft geworden. Neckend. Sie standen nah beieinander, die Köpfe über die Uhr gebeugt, und Bitterblues Finger umfassten immer noch seine Hand. Plötzlich wurde ihr etwas bewusst, nicht mit dem Verstand, sondern durch die Luft, die ihren Hals berührte und sie zum Zittern brachte, als sie in sein zerschundenes Gesicht blickte.
    »Oh«, sagte sie. »Gute Nacht, Saf«, dann huschte sie davon.

Es war nichts geschehen. Trotzdem musste sie am nächsten Tag die ganze Zeit daran denken. Erstaunlich, wie viel man über nichts nachdenken konnte. In den unpassendsten Momenten wurde ihr ganz heiß und sie war sicher, dass jeder, der ihr in die Augen blickte, genau wusste, woran sie dachte. Zum Glück stand in dieser Nacht das Treffen des Rats an. Sie musste sich beruhigen, bevor sie wieder hinausging.
    Viel zu früh war Katsa in ihr Zimmer gestürzt gekommen. »Bo hat mir gesagt, du bräuchtest Schwerttraining«, sagte sie und verübte einen Anschlag auf Bitterblue, indem sie ihr die Decke wegzog.
    »Ich habe noch gar kein Schwert«, beklagte sich Bitterblue und versuchte wieder unter die Decke zu kriechen. »Es wird gerade geschmiedet.«
    »Als ob wir mit etwas anderem anfangen würden als mit Holzschwertern. Komm schon! Steh auf! Denk dran, was für eine Befriedigung es dir bereiten wird, mich mit einem Schwert anzugreifen.«
    Katsa rauschte wieder aus dem Zimmer. Einen Moment lag Bitterblue da und beklagte ihr Dasein. Dann richtete sie sich auf und glitt aus dem Bett, ihre Zehen sanken in die plüschig rote Weichheit des Teppichs ein. Bitterblues Schlafzimmerwände waren mit einem Stoff bespannt, der mit erlesenen Mustern in Scharlachrot, Rotbraun, Silber und Gold durchwirkt war. Die

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