Die Königliche (German Edition)
los?«
»Was meinen Sie damit«, sagte Bitterblue, ohne auf Thiel einzugehen, »Sie haben sich gefragt, was passieren würde?«
»Fragen Sie sich nie, was passieren würde, wenn Sie aus einem Fenster ganz weit oben springen würden, Königin?«, fragte Holt.
»Nein«, rief Bitterblue. »Ich frage mich nicht, was passieren würde! Ich weiß, was passieren würde. Mein Körper würde zerschmettern. Und Ihrer auch. Ihre Gabe ist Stärke, Holt, sonst nichts!«
»Ich hatte ja nicht vor zu springen, Königin«, sagte er mit einer Nonchalance, die sie langsam zur Weißglut brachte. »Ich wollte nur sehen, was passieren würde.«
»Holt«, presste Bitterblue zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich verbiete Ihnen, verbiete Ihnen ausdrücklich, jemals wieder in irgendeinen Fensterrahmen zu klettern und hinunterzuschauen, um zu sehen, was passieren würde. Haben Sie mich verstanden?«
»Also, wirklich.« Thiel ging zu Holt hinüber, packte ihn am Kragen und schob ihn zur Tür, was beinahe komisch aussah, da Holt größer war als Thiel, fast zwanzig Jahre jünger und unendlich viel stärker. Aber Holt zuckte nur noch einmal mit den Schultern, ohne zu protestieren. »Reißen Sie sich zusammen, Mann«, sagte Thiel. »Hören Sie auf, die Königin zu erschrecken.« Dann öffnete er die Tür und schob Holt hindurch.
»Alles in Ordnung, Königin?«, fragte er dann, nachdem er die Tür zugeknallt und sich wieder ihr zugewandt hatte.
»Ich verstehe nichts und niemanden«, sagte Bitterblue jämmerlich. »Thiel, wie soll ich Königin in einem Königreich voller Verrückter sein?«
»Das war in der Tat eine außergewöhnliche Darbietung, Königin«, sagte Thiel. Dann nahm er einen Stapel Urkunden von seinem Stehpult, die ihm gleich darauf zu Boden fielen. Er hob sie wieder auf und reichte sie ihr mit düsterer Miene und zitternden Händen.
»Thiel?«, fragte Bitterblue, die einen Verband unter einem seiner Ärmel hervorblitzen sah. »Was haben Sie da gemacht?«
»Es ist nichts, Königin, nur ein Schnitt.«
»Hat sich das ein Fachmann angesehen?«
»Dafür ist kein Heiler nötig, Königin. Ich habe mich selbst darum gekümmert.«
»Ich hätte gern, dass Madlen das untersucht. Vielleicht muss die Wunde genäht werden.«
»Das ist nicht nötig.«
»Das muss ein Heiler entscheiden, Thiel.«
Thiel richtete sich auf. »Es ist bereits von einem Heiler genäht worden, Königin«, sagte er schroff.
»Aber warum haben Sie mir dann gesagt, Sie hätten sich selbst darum gekümmert?«
»Ich habe mich darum gekümmert, indem ich damit zu einem Heiler gegangen bin.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Zeigen Sie mir die Naht.«
»Königin …«
»Rood«, fuhr Bitterblue ihren weißhaarigen Ratgeber an, der gerade das Zimmer betreten hatte und vom Treppensteigen keuchte. »Helfen Sie Thiel dabei, seinen Verband abzuwickeln, damit ich die Naht seiner Wunde sehen kann.«
Ziemlich verwirrt befolgte Rood die Anweisung. Kurz darauf blickten alle auf einen langen schrägen Schnitt über Thiels Handgelenk und Handfläche hinab, der ordentlich genäht war.
»Wie ist das denn passiert?«, fragte Rood erschrocken.
»Ein kaputter Spiegel«, erwiderte Thiel mit schwacher Stimme.
»Eine solche Wunde ist sehr gefährlich, wenn sie nicht versorgt wird«, sagte Rood.
»Diese Wunde hier ist eher überversorgt«, entgegnete Thiel. »Wenn Sie beide jetzt gestatten würden, es gibt viel zu tun.«
»Thiel«, sagte Bitterblue schnell, da sie wollte, dass er bei ihr blieb, aber nicht genau wusste, wie sie das erreichen sollte. Würde eine Frage nach dem Namen des Flusses die Sache verbessern oder verschlimmern? »Der Name des Flusses«, wagte sie sich vor.
»Ja, Königin?«, fragte er.
Sie musterte ihn einen Moment auf der Suche nach einer Öffnung in der Festung seines Gesichts, den stählernen Klappen seiner Augen, fand jedoch nichts weiter als seltsame persönliche Not. Rood legte Thiel eine Hand auf die Schulter und gab tröstende Geräusche von sich. Thiel schüttelte ihn ab und ging zu seinem Stehpult. Bitterblue bemerkte, dass er hinkte.
»Thiel?«, sagte Bitterblue. Sie würde etwas anderes fragen.
»Ja, Königin?«, flüsterte er mit dem Rücken zu ihr.
»Kennen Sie zufällig die Zutaten für Brot?«
Nach einem Moment drehte sich Thiel zu ihr um. »Hefe oder ein anderes Triebmittel, Königin. Mehl, was meines Wissens die Hauptzutat ist. Wasser oder Milch«, fügte er hinzu, als er sicherer wurde. »Salz vielleicht? Soll ich Ihnen
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