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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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ein Rezept besorgen, Königin?«
    »Ja, bitte, Thiel.«
    Also ging Thiel auf die Suche nach einem Brotrezept für Bitterblue, eine lächerliche Aufgabe für den obersten Ratgeber der Königin. Sie sah ihm nach, als er zur Tür hinaushinkte, und bemerkte, dass sein Haar auf dem Hinterkopf dünner wurde. Das war ihr bisher nie aufgefallen und es war aus irgendeinem Grund kaum zu ertragen. Sie konnte sich an einen dunkelhaarigen Thiel erinnern. Sie konnte sich an einen herrischen und selbstbewussten Thiel erinnern; sie konnte sich auch an einen gebrochenen und weinenden, verwirrten, blutenden Thiel auf dem Fußboden im Zimmer ihrer Mutter erinnern. Sie konnte sich auf viele verschiedene Arten an Thiel erinnern, aber sie hatte ihn nie als alternden Mann gesehen.
    Als Nächstes ging Bitterblue in die Bibliothek, schob vorher aber noch einen Besuch in ihren Räumen ein, um einen Blick auf ihre Liste der Rätselteile zu werfen. Als sie sie aus dem seltsamen Bilderbuch zog und erneut las, kam ihr auch diese Liste wie eine Art Chiffre vor, als würde jeder Teil davon etwas bedeuten, das dort noch nicht stand. Bitterblue kämpfte gegen die Tränen an. Sie hatte die Sorgen satt, sie hatte die Leute satt, aus denen sie nicht schlau wurde und die logen. In großen Buchstaben schrieb sie »MIST« ans Ende der Liste, ein Ausdruck ihrer Unzufriedenheit mit allem. Es könnte eine Chiffre sein und »Mist« der Schlüssel dazu. Wäre das nicht wunderbar einfach?
    Bo , dachte sie, als sie mit der Liste in der Hand zur Bibliothek wanderte. Bist du in der Nähe? Ich will dich etwas fragen.
    Todds Schreibtisch in der Bibliothek war leer bis auf den Kater, der eng zusammengerollt dalag, so dass sich jeder Wirbel deutlich abzeichnete. Bitterblue machte einen großen Bogen um ihn. Sie spazierte von Raum zu Raum und fand Todd schließlich zwischen zwei Reihen aus Regalen, wo er auf einem leeren Regalbrett vor sich fieberhaft schrieb, Seite um Seite. Er kam ans Ende einer Seite, hob das Blatt an, schüttelte es, damit die Tinte trocknete, und legte es weg, während seine Schreibhand bereits über die nächste Seite sauste. Bitterblue konnte nicht glauben, wie schnell er schrieb. Auch am Ende dieser Seite fing er ohne Pause eine neue an. Und auch danach begann er sofort die nächste, dann legte er plötzlich die Feder weg, stand mit geschlossenen Augen da und massierte sich die Hand.
    Bitterblue räusperte sich. Todd zuckte zusammen und sah sie mit seinen unterschiedlichen Augen an, die weit aufgerissen waren. »Ah, Königin«, sagte er, als würde er ein Loch in einem Apfel betrachten und sagen: »Ah, Würmer.«
    »Todd«, Bitterblue wedelte mit ihrer Liste, »ich habe eine Reihe Fragen. Ich wüsste gern, ob Sie als mein Bibliothekar die Antworten kennen oder wissen, wie ich sie herausfinden kann.«
    Todd sah aus, als empfände er das als große Zumutung, dabei bat sie ihn doch nur um etwas, das ohnehin seine Aufgabe war. Er rieb weiter seine Hand. Bitterblue hoffte, dass er unter schmerzhaften Krämpfen litt. Schließlich streckte er wortlos den Arm aus und schnappte sich die Liste.
    »He!«, sagte Bitterblue erschrocken. »Geben Sie mir die zurück!«
    Er warf jeweils einen Blick auf die Vorder- und Rückseite, dann gab er ihr die Liste zurück, ohne Bitterblue anzusehen, ohne irgendwas anzusehen, die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen. Bitterblue, der entsetzt einfiel, dass sich Todd an etwas, das er einmal gelesen hatte, für immer erinnerte, ohne es sich je wieder ansehen zu müssen, las selbst noch einmal beide Seiten des Papiers und versuchte, den Schaden abzuschätzen.
    »Viele dieser Fragen, Königin«, sagte Todd, der weiter ins Leere starrte, »sind ein bisschen allgemein gehalten, meinen Sie nicht? Zum Beispiel die Frage: ›Warum sind alle Spinner?‹, und die Frage, warum Sie von so vielen fehlenden Teilen geplagt werden …«
    »Deswegen bin ich nicht zu Ihnen gekommen«, sagte Bitterblue gereizt. »Ich möchte wissen, ob Sie irgendetwas darüber wissen, was Leck getan hat, und ob mich irgendjemand belügt, und wenn ja, wer.«
    »Bezüglich der mittleren Frage, was die Gründe dafür sein könnten, dass jemand einen Wasserspeier stiehlt, Königin«, fuhr Todd fort, »Kriminalität ist eine natürliche Ausdrucksform des Menschen. Wir bestehen alle aus Licht und Schatten …«
    »Todd«, unterbrach Bitterblue ihn. »Vergeuden Sie nicht meine Zeit.«
    »Ist ›MIST‹ eine Frage, Königin?«
    Bitterblue war jetzt gefährlich

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