Die Königliche (German Edition)
kurz davor, etwas zu tun, das sie sich nie verzeihen würde, nämlich zu lachen. Sie biss sich auf die Lippen und änderte ihren Tonfall. »Warum haben Sie mir diesen Stadtplan gegeben?«
»Den Stadtplan, Königin?«
»Diesen kleinen weichen aus Leder«, sagte Bitterblue. »Wenn Ihre Arbeit so wichtig ist und keine Unterbrechung duldet, warum sind Sie dann extra in mein Schreibzimmer gekommen, um mir den Stadtplan zu bringen?«
»Weil Prinz Bo mich darum gebeten hat, Königin«, sagte Todd.
»Verstehe«, sagte Bitterblue. »Und?«
»Und was, Königin?«
Bitterblue wartete geduldig ab und hielt seinem Blick stand.
Schließlich gab er nach. »Ich habe keine Ahnung, wer Sie belügen könnte, Königin. Ich habe auch keinen Grund zu der Annahme, dass jemand das macht, abgesehen davon, dass Leute so etwas eben machen. Und wenn Sie mich fragen, was König Leck im Geheimen getan hat, Königin, wissen Sie das bestimmt besser als ich. Sie haben mehr Zeit mit ihm verbracht als ich.«
»Ich kenne seine Geheimnisse nicht.«
»Ich auch nicht, Königin, und ich habe Ihnen bereits gesagt, dass er meines Wissens nicht Buch darüber geführt hat. Und ich wüsste auch nicht, dass irgendjemand anders Buch geführt hätte.«
Sie wollte Todd nicht die Genugtuung verschaffen, dass er merkte, wie enttäuscht sie von seinen Antworten war. Daher versuchte sie sich abzuwenden, bevor er ihr ins Gesicht blicken konnte.
»Aber ich kann Ihre erste Frage beantworten, Königin«, sagte er zu ihrem Rücken.
Bitterblue blieb wie angewurzelt stehen. Die erste Frage lautete: Wer sind meine ›ersten Männer‹?
»Die Frage bezieht sich ganz offensichtlich auf die Worte, die auf der Rückseite Ihrer Liste stehen, nicht wahr, Königin?«
Teddys Worte . »Ja«, sagte Bitterblue und drehte sich wieder zu ihm um.
»›Ich nehme an, die kleine Königin ist heute auch ohne Sie in Sicherheit, da ihre ersten Männer das Gleiche tun können wie Sie‹«, zitierte Todd. »›Wenn man einmal schneiden und nähen gelernt hat, ob man das wohl je wieder verlernt, egal was dazwischenkommt? Selbst wenn Leck dazwischenkommt? Ich mache mir Sorgen um sie. Es ist mein Traum, dass die Königin eine Wahrheitssucherin ist, aber nicht, wenn sie dadurch irgendjemandes Opfer wird.‹ Waren diese Worte an einen Ihrer Heiler gerichtet, Königin?«
»Ja«, flüsterte Bitterblue.
»Ihnen ist vermutlich nicht bekannt, dass Ihre Ratgeber Thiel, Darby, Runnemood und Rood vor über vierzig Jahren, ehe Leck an die Macht kam, hervorragende junge Heiler waren?«
»Heiler! Ausgebildete Heiler?«
»Dann ermordete Leck den alten König und die Königin«, fuhr Todd fort. »Er krönte sich selbst und nahm die Heiler unter seine Ratgeber auf – und kam damit, wenn Sie so wollen, ›zwischen‹ die Männer und ihren Heilberuf. Diese Worte scheinen nahezulegen, dass jemand, der vor vierzig Jahren ein Heiler war, heute immer noch Heiler ist, was Sie in der Gesellschaft Ihrer ›ersten Männer‹, Ihrer Ratgeber, in Sicherheit sein lässt, Königin, selbst wenn Ihre offiziellen Heiler nicht zur Stelle sind.«
»Woher wissen Sie das über meine Ratgeber?«
»Das ist kein Geheimnis, Königin, wenn man sich erinnern kann. Meine Erinnerung wird von heilkundlichen Schriften in dieser Bibliothek gestützt, die vor langer Zeit von Thiel, Darby, Runnemood und Rood verfasst wurden, als sie noch Studenten der Heilkunde waren. Soweit ich weiß, schrieb man allen vieren schon in jungem Alter erstklassige Zukunftsaussichten zu.«
In Bitterblues Bewusstsein stieg die Erinnerung an Rood und Thiel auf, wie sie eben auf Thiels Wunde gestarrt hatten. An ihren Streit mit Thiel, der erst behauptet hatte, er habe sich selbst um die Verletzung gekümmert, und dann, er habe sie von einem Heiler nähen lassen.
War es möglich, dass beide Behauptungen der Wahrheit entsprachen? Aber er hatte sich doch wohl nicht selbst genäht? Und seine Fähigkeiten vor ihr geheim gehalten – und das schon, solange sie zurückdenken konnte?
»Meine Ratgeber waren Heiler«, sagte sie laut, plötzlich verunsichert. »Warum hat Leck sich Heiler als politische Ratgeber ausgesucht?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Todd ungeduldig. »Ich weiß nur, dass er es getan hat. Möchten Sie die heilkundlichen Schriften lesen, Königin?«
»Ja, ist gut«, sagte sie ohne große Begeisterung.
Da tauchte Bo zwischen den Regalen auf. Er trug den Kater auf dem Arm und murmelte doch tatsächlich liebevoll in sein
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