Die Königsmacherin
Fäuste.
»Wenn du eine neue Ehe eingehst, versündigst du dich an Gott! Und verstößt gegen deine eigenen Gesetze! Das kann ich nicht zulassen. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um das zu verhindern!«
»Und wie?«
Aufgebracht über den leicht belustigten Unterton in seiner Stimme versetzte sie ihm eine Ohrfeige.
Blitzschnell griff er nach ihren Händen.
»Tu das nie wieder, Mutter«, sagte er leise. Sein Blick war auf einmal kalt und stechend. »In deiner Macht steht nun gar nichts mehr. Ich werde Desiderata gleich morgen zu ihrem Vater zurückschicken.«
Er ließ ihre Hände wieder los.
»Mit welcher Begründung?« fragte Bertrada.
»Unfruchtbarkeit.«
»Nach einem Jahr! Welch eine Demütigung für König Desiderius! Ihm seine Tochter wie einen Ballen brüchiger Seide zurückzuschicken! Ihr Vater wird dir den Krieg erklären! Dann war meine ganze Arbeit umsonst! Nein, Karl, das wirst du nicht tun! Ich verbiete es dir!«
Karl musterte sie kühl.
»Du hast mir nichts mehr zu verbieten, Mutter.« Nach kurzer Pause setzte er hinzu: »Ich bin jetzt der König aller Franken. Und als solcher verbiete ich dir jegliche weitere Einmischung in die Politik. Hast du verstanden, Mutter? Keine Reisen, keine Verhandlungen, keine Zusagen und keine heimlichen Machenschaften mehr! Nie mehr! Schluß mit deiner Diplomatie auf …« Er ließ den Blick zum Saum ihres Kleides wandern, unter dem zwei Schuhspitzen hervorlugten, »… großem Fuß! Sonst werde ich mich gezwungen sehen, dich dorthin bringen zu lassen, wo du keinen Schaden mehr anrichten kannst! Und jetzt werde ich dieser elenden langobardischen Vogelscheuche mitteilen, daß ich sie verstoße.«
Bertrada stand auf und hielt sich mühsam aufrecht.
»Wenn du das tust, Karl, dann sind wir auf ewig geschiedene Leute!«
Er trat einen Schritt auf sie zu, doch sie hielt ihn mit einer Handbewegung auf. »Ich meine es ernst!«
»Ach, Mutter«, seufzte Karl, »wie bin ich froh, daß es zumindest eins noch nicht gibt – die Möglichkeit, sich vom eigenen Sohn scheiden zu lassen. Du wirst schon noch sehen, daß meine Entscheidung richtig ist. Und du mußt nicht mehr durch die Gegend reisen und dir meinen Kopf über die Geschicke der Welt zerbrechen, sondern kannst in Freude einem friedlichen Alter entgegensehen. Deine Vergebung ist mir gewiß.«
»Nie, nie, nie!« rief Bertrada, aber sie wußte, daß er gewonnen hatte. »Sag mir noch eins«, fragte sie schließlich nach langem Schweigen. »Wie viele Messen hast du für deinen Bruder lesen lassen?«
»Keine. Und es wird auch keine geben. Jedenfalls nicht von mir.«
Bertrada warf ihrem einzigen noch lebenden Sohn einen vernichtenden Blick zu und verließ das Gemach. An Karls Hof hatte sie nichts mehr verloren. Es gab nur noch eine Aufgabe für sie: Sie wollte dafür sorgen, daß Karlmanns Söhnen zu ihrem Recht verholfen wurde.
Doch als sie Erkundigungen über sie einzog, erfuhr sie, daß Gerberga mit ihren Kindern bereits geflüchtet war. Aus Furcht, daß man sie in ein Kloster abschieben und ihren Söhnen nach dem Leben trachten würde, hatte sie sich sofort nach Karlmanns Beisetzung in Reims mitten im tiefsten Winter mit ihren kleinen Kindern auf den Weg nach Pavia gemacht. Wenn sie von ihrem Vater König Desiderius Schutz erwartete, konnte das nur bedeuten, daß sie noch vor Bertrada von Karls Plänen unterrichtet worden war. Oder daß sie ihn besser kannte als seine eigene Mutter.
Tatsächlich erwartete die Witwe Karlmanns am Fuß der Alpen die Reisegesellschaft, die ihre Halbschwester Desiderata zu ihrem Vater zurückgeleiten würde. Darunter befanden sich auch mehrere unversöhnlich enttäuschte fränkische Adlige, die sich endgültig von Karl losgesagt hatten. Zwei zutiefst gedemütigte und verzweifelte Frauen schworen bittere Rache an dem Mann, der sich selbst zum König aller Franken erhoben hatte. Bertrada war mit ihrer Friedenspolitik auf der ganzen Linie gescheitert.
Sie rückte näher an die Feuerstelle in der Mitte ihres Gemaches und zog sich das wollene Tuch fester um die Schultern. Doch obwohl es ein lauer Frühlingsabend war und die Flammen hoch loderten, wollte ihr nicht so recht warm werden. Sie sah sich in dem karg ausgestatteten Raum der Abtei von Saint Denis um. Was sollte sie hier noch? Niemand brauchte oder wollte sie. Ihre Tochter Gisela hatte verkündet, daß sie ihrem geliebten Bruder und ihrer geliebten Freundin überallhin folgen würde. Sie war außer sich vor Freude
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