Die Königsmacherin
Heer vor den Toren Roms zu erscheinen. Statt dessen sollte er als einfacher Pilger gekleidet zum Heiligen Stuhl reisen und dort die wichtigsten Ratgeber des Papstes beseitigen, wenn möglich auch gleich noch den verräterischen Abt Fulrad. Sie selbst werde vorher Gerüchte ausstreuen lassen, das Leben des Heiligen Vaters sei von Menschen aus seiner Umgebung ernsthaft bedroht. Desiderius könne sich dann als Retter des Papstes feiern lassen. Nur eine derart drastische Maßnahme, versicherte Bertrada, könne Stephan noch von den guten Absichten des Langobardenkönigs überzeugen.
Desiderius war beeindruckt von Bertradas List und Tatkraft und bedauerte ein wenig, daß er diese tapfere Frau hintergehen mußte. Nun konnte er ihr schlecht mitteilen, daß er seinerseits dem Gerücht neue Nahrung geben wollte: Es sei ihr Sohn Karlmann, der sich Mutter und Bruder entfremdet habe und der insgeheim einen Angriff auf den Heiligen Stuhl plane, um sein Reich zu vergrößern. Damit würde er dem jüngeren Frankenkönig die letzte Unterstützung entziehen. Karl könnte sich dann verhältnismäßig mühelos das Reichsteil seines von allen Bündnisgenossen verlassenen Bruders aneignen, das später den Enkeln des Langobardenkönigs zufallen würde. Solange der ältere Frankenkönig im Norden beschäftigt war, würde er ihm im Süden nicht in die Quere kommen. Und ein dankbarer Papst würde auch nicht unbedingt auf die Herausgabe von immer mehr Land pochen.
Alles verlief nach Plan. Nur Abt Fulrad entkam den Häschern unverhofft, da er gerade noch rechtzeitig an Karlmanns Hof zurückgekehrt war.
Nach seiner ›Errettung‹ durch Desiderius nannte der Papst den König des gerade erst von ihm verfluchten Langobardenvolkes ›unseren herausragendsten Sohn‹ und stellte sich förmlich unter seinen Schutz.
Karl zeigte sich darüber nicht sonderlich glücklich.
»Aber immerhin hat der Heilige Vater erkannt, wie doppelzüngig mein Bruder ist«, bemerkte er befriedigt zu Bertrada.
Sie weigerte sich, den Gerüchten Glauben zu schenken, ihr jüngerer Sohn habe dem Heiligen Vater nach dem Leben getrachtet.
»Warum sollte er so etwas tun?« fragte sie.
»Vielleicht, weil der Heilige Vater sein Angebot zurückgenommen hat, die Patenschaft über seinen jüngsten Sohn zu übernehmen?« schlug Karl vor.
»Sollte sich Karlmann tatsächlich derart verirrt haben, dann steckt Abt Fulrad dahinter«, entschied seine Mutter. »Dieser angebliche Gottesmann steht mit dem Teufel im Bund.«
»Ich habe ihm ein Angebot unterbreitet, an meinen Hof zu kommen«, sagte Karl. »Ich brauche solche klugen Männer.«
Bertrada war blaß geworden.
»Dieser Mann richtet nur Unheil an«, sagte sie leise.
»Er hat übrigens abgelehnt. Solange mein Bruder lebt, könne er keinem anderen König dienen, hat er erklärt.«
»Wer einmal eine Frau verstößt, kann es auch ein zweites Mal tun!« versicherte Sophia. »Es ist noch nicht alles verloren!« Gebannt sahen Gisela und Hildegard zu, wie sie über einem kleinen Kohlehaufen Myrrhe verbrannte. »Reich mir die Schrift dort drüben«, forderte sie Gisela auf. Die junge Alemannin ergriff das Pergament und begann mit getragener Stimme laut vorzulesen: »Du bist die, die diejenigen zur Liebe zwingt, die den Eros verleugnen. Alle nennen dich Myrrhe, ich aber nenne dich Fleischfresserin und Verbrennerin des Herzens. Ich schicke dich zu …« sie überlegte einen Augenblick und fuhr dann belustigt fort: »… zu Karl, dem Sohn des Pippin, damit du mir gegen ihn dienst, damit du ihn mir bringst …«
»Gib her!« unterbrach Sophia ärgerlich. »Ich bin diejenige, die das vorlesen muß!«
Aber dazu kam es nicht mehr. Die Tür des Gemaches sprang auf, und Mathilde stürmte herein.
»Schluß damit!« schrie sie. Sie riß ihrer Tochter die Myrrhe aus der Hand und schüttete Wein aus einem Krug in die Schale mit den glühenden Kohlen. Hildegard gelang es gerade noch rechtzeitig, sich auf das verräterische Pergament zu setzen. An den Haaren zerrte Mathilde ihre Tochter aus der Kammer. »Dieser Unfug muß ein Ende haben!« tobte sie. »Ich bringe dich jetzt zu deinem Vater, damit er dich für deinen Ungehorsam straft!«
Als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, blinzelte Hildegard Gisela verschwörerisch zu und zog das Pergament unter sich hervor.
»Wollen wir weitermachen?« fragte sie flüsternd.
Gisela nickte. »Du bist mir sowieso näher als Sophia«, versicherte sie und beugte sich dann ebenfalls
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