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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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umhertollen kann. Einen Swimmingpool haben wir auch. Und einen Tennisplatz. Und Kabelfernsehen. Wir bezahlen die mehr als tausend Dollar für die Röntgenaufnahmen und Aktivkohletabletten.
    Natürlich kann man auf irgendwelchen Kabelsendern immer noch Kenneth Wilcox sehen, den kleinen Jungen, der er einmal war, der fröhlich pfeifend mit dem Ball spielte, bevor er sich zu einem Monster mit Ginspucke im Gesicht verwandelte. Der kleine Danny und sein Hund, der barfuß durch Heartland, Iowa, wandert. Sein allgegenwärtiges Gespenst hält meine Geschichte lebendig: der Kontrast. Die Leute lieben es, meine Wahrheit über diesen kleinen Jungen zu kennen, der einen so glücklichen Eindruck machte.
    Schadenfreude ist die schönste Freude.
    In dieser Woche gräbt mein Hund eine Zwiebel aus und frisst sie.
    Ich rufe einen Tierarzt nach dem anderen an, auf der Suche nach einem, der Skip rettet. Geld ist jetzt nicht mehr das Problem. Ich kann alles bezahlen.
    Ich und mein Hund, wir führen ein großartiges Leben. Wir sind sehr glücklich. Während ich noch am Telefon sitze und im Telefonbuch blättere, tut Skip, mein Baby, seinen letzten Atemzug.

6
    »Beginnen wir mit dem Schluss «, pflegte Mr. Whittier zu sagen.
    Er sagte: »Beginnen wir mit der Pointe.«
    Der Sinn des Lebens. Eine vereinheitlichte Feldtheorie. Die Antwort auf alle Fragen.
    Wir saßen in der Tausend-und-eine-Nacht-Galerie im Schneidersitz auf schimmligen Seidenkissen und Polstern. Sessel und Sofas stanken nach schmutziger Wäsche, wenn man sich hineinsetzte und die Luft aus ihnen herausdrückte. Dort, unter der hohen, hallenden, mit Juwelenfarben ausgemalten Kuppel, Farben, die niemals das Tageslicht sehen und niemals verblassen würden, unter den herabhängenden Messinglampen, in deren intrikaten Messingschirmen rote, blaue oder orange Glühbirnen leuchteten, saß Mr. Whittier und stopfte sich irgendetwas Getrocknetes aus einer Mylar-Tüte in den Mund.
    Er sagte: »Bringen wir als Erstes den großen Knüller hinter uns.«
    Die Erde, sagte er, ist bloß eine große Maschine. Eine große Fabrik. Das ist die große Antwort. Die große Wahrheit.
    Stellt euch einen Steinschleifer vor, eine dieser riesigen Trommeln, die sich unablässig drehen, vierundzwanzig Stunden am Tag, jeden Tag, gefüllt mit Wasser und Steinen und grobem Sand. Zermahlen alles. Schleifen und schmirgeln. Polieren diese hässlichen Steine zu Edelsteinen. Das ist die Erde. Warum sie sich dreht. Wir sind die Steine. Und was mit uns geschieht - die Dramen und Schmerzen und Freuden und Kriege und Krankheiten und Siege und Misshandlungen -, tja, das sind bloß Wasser und Sand, die uns schmirgeln. Und zermahlen. Um uns schön glänzend zu polieren. So etwas erzählte uns Mr. Whittier.
    Glatt wie Glas, das ist unser Mr. Whittier. Geschliffen von Schmerzen. Glänzend poliert.
    Deswegen lieben wir Konflikte, sagt er. Deswegen lieben wir den Hass. Um einen Krieg zu beenden, erklären wir ihm den Krieg. Wir müssen die Armut ausmerzen. Wir müssen den Hunger bekämpfen. Wir führen Feldzüge, wir vernichten und zerstören und rotten aus.
    Das erste Gebot für uns Menschen ist:
    Es muss etwas geschehen.
    Mr. Whittier hatte keine Ahnung, wie Recht er hatte.
    Je mehr Mrs. Clark redete, desto klarer wurde uns, dass wir uns nicht in der Villa Diodati befanden. Die Kleine, die Frankenstein geschrieben hatte, war die Tochter von zwei Schriftstellern: von berühmten Gelehrten, die so gewichtige Bücher wie Politische Gerechtigkeit und Verteidigung der Frauenrechte geschrieben hatten. Bei denen zu Hause gingen ständig berühmte kluge Leute ein und aus.
    Wir waren keine Sommergesellschaft intellektueller Bücherwürmer.
    Nein, die beste Geschichte, die wir aus diesem Gebäude würden mitbringen können, wäre die von unserem Überleben. Wie die verrückte Lady Tramp in unseren weinenden Armen starb. Trotzdem, diese Geschichte musste auch noch gut sein. Aufregend. Unheimlich und bedrohlich. Dafür würden wir sorgen müssen.
    Mr. Whittier und Mrs. Clark waren zu sehr auf ihr Geschwafel konzentriert. Wir mussten sie dazu bringen, uns härter anzufassen. Für unsere Geschichte mussten sie uns peitschen und prügeln.
    Und uns nicht zu Tode langweilen.
    »Jeder Aufruf zum Weltfrieden«, sagte Mr. Whittier, »ist eine Lüge. Eine nette Lüge.« Nur ein weiterer Vorwand zum Kämpfen.
    Nein, wir lieben den Krieg.
    Krieg. Hungersnöte. Seuchen. Die bringen uns auf schnellstem Weg zur Erleuchtung.
    »Es ist das Kennzeichen

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