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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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was oder gab einen Laut von sich.
    David hielt wenige Schritte vor den Männern an, die bisher
keine Miene verzogen hatten. Er hielt ihnen Bahjat auf den
ausgestreckten Armen entgegen.
    »Sie ist krank«, sagte er. »Sie braucht einen
Arzt.«
    Er bekam keine Antwort. Die Männer waren untersetzt,
breitschulterig und breitbrüstig. Sie hatten die hohen
Backenknochen und die gebogenen Nasen der alten Inka.
    »Sie ist krank«, wiederholte David und wünschte
sich, er könnte spanisch sprechen. »Haben Sie einen Arzt
oder Medikamente?«
    Der Mann in der Mitte der Reihe sagte etwas in tiefem, gutturalem
Ton, in einer Sprache, die David nicht verstand.
    In seiner Verzweiflung sagte er: »Habla
español?«
    Aber die Leute schienen so unbeweglich wie die Berge, die sie
umgaben. Ein kühler Wind kam auf, und David sah, daß die
Sonne bald untergehen würde.
    Er hob Bahjat auf einen Arm, machte seine rechte Hand frei, dann
tippte er gegen seine und gegen ihre Stirn. Die Männer schauten
sich verwirrt an. David wiederholte die Geste, dann zeigte er auf
sie.
    »Berühre ihre Stirn«, sagte er zu dem Mann, der
gesprochen hatte. »Fühle, wie heiß sie ist.«
    Der Mann trat langsam und zögernd vor. Nachdem David noch ein
paarmal hin und her gestikuliert hatte, berührte er Bahjats
Stirn zart mit den Fingerspitzen und zog die Hand sofort
zurück.
    »Nein«, sagte David und schüttelte den Kopf.
»So wird’s gemacht.« Er legte die flache Hand auf
Bahjats Stirn, während sein linker Arm unter ihrer Last zu
brechen drohte.
    Der Mann warf David einen finsteren Blick zu, dann streckte er die
Hand wieder aus und legte sie auf Bahjats Stirn. Seine Augen weiteten
sich. Er drehte sich um und rief den anderen etwas zu. Ein
gedrungenes älteres Weib trat hervor und schwatzte in der
gleichen merkwürdigen Sprache vor sich hin. Sie schaute Bahjat
genau an und berührte dann ihre Stirn.
    »Ach!« rief sie und sagte dann etwas zu dem Mann. Ohne
auch nur das geringste Anzeichen von Angst streckte sie die Hand aus
und berührte Davids Wange. Dazu mußte sie sich auf die
Zehenspitzen stellen. Dann ergriff sie Bahjats Handgelenk.
    Sie fühlt ihren Puls!
    Die alte Frau redete eifrig auf den Mann ein, der offensichtlich
der Dorfhäuptling war. Die anderen Männer schalteten sich
in den Diskurs ein, während die übrigen Frauen und Kinder
David neugierig beäugten.
    David konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber ihr Tonfall
schien eindeutig. Die meisten Männer waren eindeutig dagegen,
diese Fremden ins Dorf zu lassen. Die Frau zeigte auf Bahjat und
sagte etwas Spöttisches. David sah, daß sie so gut wie
keine Zähne mehr im Mund hatte. Der Häuptling,
offensichtlich der Älteste in der Gruppe – sein dichtes
schwarzes Haar war von silbernen Fäden durchzogen – sagte
so gut wie nichts.
    Doch die anderen verstummten, als er zu sprechen begann. Dann
wandte er sich an David und deutete ihm an, ihm ins Dorf zu folgen.
Die anderen machten Platz, doch dann schlossen sich ihre Reihen, und
sie folgten David, dem Häuptling und der Alten auf den
Fersen.
    Die Hütten waren eng und verraucht und rochen nach
Schweiß und Urin. Der Fußboden bestand aus gestampfter
Erde, die Wände aus rohen Steinen. Saß man nahe genug an
dem kleinen Feuer, das inmitten der Hütte brannte, so konnte man
sich Gesicht und Hände notdürftig wärmen, während
man am Rücken jämmerlich fror. Das Essen bestand aus einer
Art unmöglichem Gemüseeintopf ohne eine Spur von
Fleisch.
    Ihre Werkzeuge, ihr Kochgeschirr, die Muster, die sie in Holz,
Stein oder Ton schnitten, waren die gleichen, die David in seinen
Büchern über die alten Inkas abgebildet gesehen hatte.
    Das sind die Bergbewohner, stellte er fest. Sie haben
jahrtausendelang auf diese Weise gelebt. Während die Inkas ihr
Reich aufbauten, während die Spanier sie eroberten, während
das Volk von Peru entstand und die spanische Herrschaft
abschüttelte, während die Weltregierung ins Leben gerufen
wurde… hatte dieses Volk immer auf die gleiche Weise
gelebt, unberührt von all dem, Hunderte von Generationen
lang.
    Sie besaßen so gut wie nichts, aber das Wenige, das sie
hatten, teilten sie mit David und Bahjat. Die alte Frau war
vermutlich die ›weise Frau‹ des Dorfes, eine Art weiblicher
Medizinmann. Sie nahm zusammen mit zwei anderen zahnlosen Alten
Bahjat in ihre Hütte mit und gab ihr einen Sud zu trinken, den
sie aus getrockneten Kräutern bereitete, die an Dübeln an
der Hüttenwand hingen. Zwei Tage lang

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