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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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David.
    Doch es war nutzlos. Die alte Vettel drängte ihn
unwiderstehlich zur Tür. Bahjat lächelte und zuckte die
Achseln, dann nahm sie eine dampfende Schüssel, die neben ihrem
Strohlager stand und begann daraus zu trinken.
    »Ich sehe Sie morgen«, meinte David grimmig an der
Tür, über den weißhaarigen Kopf der Alten hinweg.
    »Morgen«, erwiderte Bahjat und lächelte ihm zu.
    David verließ die Hütte mit gemischten Gefühlen,
die in seinem Innern brodelten und die er nie vorher gekannt hatte.
Er fühlte sich benommen, und ihm war schwindlig. Es ist die
Höhe, und all die Anstrengungen des Tages, sagte er sich
zunächst. Doch alsbald merkte er, daß es mehr war als das.
Bahjat war auf dem Wege der Besserung. Die Indianer hatten ihm die
Straße gezeigt, die in die Zivilisation zurückführte.
Er fühlte sich unendlich dankbar und erleichtert,
glücklicher als je zuvor. Doch da war noch etwas anderes, etwas,
das in ihm aufstieg und das er nicht beim Namen nennen konnte.
    Diese Ungewißheit verfolgte ihn während des
Abendessens, das aus Fleischbrocken und Kartoffeln bestand, die in
der Asche gebacken worden waren. David lächelte vor sich hin,
als er das Fleisch gekostet hatte: Kaninchen, eins der
Haupterzeugnisse von Eiland eins. Doch anstatt sich zu seinem Lager
zu begeben, nachdem das Feuer in der Hütte zusammengesunken war,
ging er in den flüsternden Nachtwind der Berge hinaus.
    Es war eine klare, kalte Nacht. David schritt durch das schlafende
Dorf, eine geborgte, rauhe Wolldecke über den Schultern. Er
schaute hinauf zu den Sternen und versuchte dahinterzukommen, warum
er sich so merkwürdig fühlte, was eigentlich in ihm
vorging. Hoch am Himmel stand Eiland Eins wie ein leuchtender
Himmelskörper.
    Während die Sterne über den Nachthimmel glitten, begann
David allmählich zu begreifen, welcher Art seine Gefühle
waren. Er verdankte Bahjats und sein Leben diesen Menschen. Ebenso
gut hätten sie ihn auch abweisen und fortschicken können.
Er wäre in der Wildnis dieser Berge umgekommen, bevor er Hilfe
gefunden hätte. Und Bahjat wäre vor ihm gestorben.
    Wie kann ich das wieder gutmachen? fragte sich David und
schaute zu Eiland Eins hinauf, das einem Stern glich. Für einen
Augenblick wünschte er, er könnte die Angelegenheit mit Dr.
Cobb besprechen. Der würde sicher wissen, was zu tun war.
    Nein, sagte er sich, ich muß mit diesem Problem
allein fertig werden. Da kann mir kein Computer helfen. Ich muß
es allein schaffen.
    Er verbrachte die Nacht in Gedanken versunken, während er
immer wieder das Dorf umkreiste. Zweimal bemerkte er, daß der
Häuptling aus seiner Hütte trat, um ihn zu beobachten, doch
er trat nicht unter der Tür hervor und hielt ihn nicht an,
während er in Gedanken seine Runden drehte.
    Sie hatten alles, was sie brauchten, alles, was sie sich
wünschten. Sie lebten in Frieden und Harmonie mit ihrer kargen
Umwelt. Doch bald würde alles vorbei sein, bald würden die
Maschinen der Zivilisation, die sich durchs Gebirge fraßen,
dieser Idylle ein Ende bereiten. Eine neue Stadt würde
entstehen, um die explodierenden Milliarden der Städte und
Farmen aufzunehmen, ein Flughafen, ein Industriekomplex. Was immer
auch da unten an der Straße entstand, in ein paar Jahren
würde etwas Neues entstehen, näher, vielleicht sogar hier
oben.
    David konnte nichts unternehmen, um dies zu verhüten. Doch
vielleicht … Er blickte wieder zum Himmel hinauf, der in der
Morgendämmerung bereits grau wurde. Eiland Eins war hinter dem
gezackten Horizont versunken.
    David wußte, daß er, bevor er dieses Dorf
verließ, den Menschen etwas schenken mußte, irgendein
Stück seiner selbst – irgend etwas, das als Symbol, als
Pfand dienen konnte, das er als Zeichen seiner Dankbarkeit und
gleichzeitig als ein Versprechen zurückließ. Aber was? Er
besaß nichts außer den Kleidern, die er am Leibe trug,
seinen Stiefeln, seiner Waffe. Er würde alles brauchen, sobald
er in die Welt der Städte, des Aufruhrs und der Gewalt
zurückkehrte. Außerdem hatten die Dorfbewohner kein
Interesse an diesen Dingen gezeigt.
    Dann, plötzlich, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ein
Geschenk, das zwar keinen realen Wert, aber eine tiefe symbolische
Bedeutung hatte. Als die Sonne aufging und die schneebedeckten Gipfel
berührte, wußte David, was er zu tun hatte.
    Er verschlief den Morgen und machte sich dann auf, um Bahjat zu
besuchen. Die Alte ließ ihn zwar eintreten, doch sie
drückte sich an der Tür herum und

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