Die Kolonie
ohne daß es die Weltregierung gleich spannt.«
»Ich weiß das alles. Ich habe lokale RUV-Gruppen selbst
mit gutem Erfolg gegen die Weltregierung eingesetzt. Aber wenn sie zu
viel Macht gewinnen…«
»Das werden sie nicht«, sagte Garrison leise. »Sie
können gar nicht, wie sie wollen. Alles, was sie tun, ist
unproduktiv. Sie sind gut genug, um die Weltregierung zu
stürzen. Aber sie werden nie in der Lage sein, die Situation zu
meistern. Sie haben bereits versucht, mit El Libertador zusammenzuarbeiten, aber das läuft nicht. Er will, daß
sie seinen Befehlen gehorchen, daß sie Geduld üben,
daß sie still halten… Aber es sind Hitzköpfe,
Idealisten, Spinner. Haben keinen Durchblick. Deshalb werden sie
nicht mitmachen.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut sicher«, meinte Garrison. »Nun aber genug
von Politik. Ich habe Sie hierher mitgenommen, um Ihnen etwas ganz
Besonderes zu zeigen.« Er lehnte sich in seinem Rollstuhl vor
und drückte mit der Handfläche gegen das
Kombinationsschloß, das in die Tür eingelassen war. Die
Platte glühte für einen Augenblick rot auf, dann schlug die
Farbe in ein helles Blau um. Garrison lehnte sich in seinem Stuhl
zurück, und die schwere Tür schwang auf.
»Treten Sie ein«, sagte er über die Schulter,
während er durch die offene Tür fuhr. Der Raum hinter der
Tür war nur schwach erleuchtet.
Al-Hazimi trat ein. Es war ein ziemlich kleiner Raum, kühl
und sehr trocken. Das Geräusch der Schritte wurde von einem
dicken Teppich verschluckt.
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, rief Garrison aus einiger
Entfernung. In der Dunkelheit schien seine Stimme anzuschwellen, als
wäre der Raum schalldicht isoliert, um jeden Widerhall zu
verschlucken.
Von der hohen Decke schoß ein einziger Lichtstrahl herab und
beleuchtete ein Bild, ein Gemälde, soweit es Al-Hazimi erkennen
konnte. Dann trat er näher heran…
»Das ist ja die Felsgrottenmadonna von Leonardo!«
Garrison kicherte im Schatten hinter seinem Rücken.
Ein weiteres Licht flammte auf, und als sich Al-Hazimi umdrehte,
erblickte er die Skulptur einer älteren Frau: zweifellos ein
Rodin. Ein drittes Licht: Chagall. Ein viertes: zwei kleine goldene
Kampfwagen auf einem Samtpolster. Al-Hazimi trat näher, um sie
zu betrachten. Sie standen nicht unter einer Glasglocke, so daß
er sie in die Hand nehmen konnte.
»Die stammen aus dem alten Babylon«, flüsterte er
heiser.
»Das stimmt. Luftlinie nicht weit von Bagdad
entfernt.«
»Aber sie wurden doch vor etwa zehn oder zwölf Jahren
aus dem Museum in Bagdad gestohlen«, sagte der Scheich.
»Sicher. Wo denn sonst?« Garrison gluckste, und weitere
Lichter flammten auf: Brueghel, Picasso, Donatello, altchinesische
Tuschmalereien auf Seide, ultramoderne Elektronikskulpturen,
Ölbilder, Stiche, Zeichnungen, Steine, von den primitiven
Händen eines Unbekannten behauen und bemalt.
»Alles gestohlen!« krächzte Garrison. »Jedes
Stück! Ihren Eigentümern entwendet, direkt vor ihrer Nase
weggeschnappt. Dieser Hunsberger da… der abstrakte… Den
hab’ ich mir geholt, als er unterwegs ins Weiße Haus
war!« Er beugte sich vor und mußte so schrecklich lachen,
daß er einen Hustenanfall bekam.
Jetzt war die ganze Decke beleuchtet, und Al-Hazimi erblickte am
Ende des ziemlich kleines Raumes ein komplettes Kirchenfenster aus
irgendeiner europäischen Kathedrale. Am anderen Ende thronte ein
lebensgroßer goldener Buddha vor einer Steinmosaikwand, die ein
feines, kompliziertes Muster aufwies.
»Jedes Stück in diesem Raum ist gestohlen«, sagte
Garrison und dämpfte seine Stimme, um einen neuen Hustenanfall
zu verhüten.
Al-Hazimi strich sich durch seinen kurzgeschorenen Bart und
wußte nicht, ob er nun zornig, ehrfürchtig oder entsetzt
sein sollte.
»Hören Sie«, sagte Garrison, und seine Stimme klang
plötzlich hart. »Wenn man alles Geld der Welt besitzt, wenn
man so viel Geld hat, daß man es nicht mehr ausgeben kann, wenn
man sich alles kaufen kann, was man sich wünscht, was
bleibt einem da noch übrig? Nur noch jene kostbaren Dinge, die
kein Mensch jemals verkaufen würde. Also stehle ich
Kunstgegenstände, nur so zum Spaß. Das ist mein
Hobby.«
»Sie haben sie für sich gestohlen.«
»Das kommt auf dasselbe heraus«, versetzte er mit einer
ungeduldigen Handbewegung. »Wichtig ist nur, daß ich sie
den Leuten weggenommen habe, die sie niemals an mich verkaufen
würden. Unschätzbare Objekte. Hach! Laß sie
unschätzbar sein! Ich könnte Stück für Stück
hundert
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