Die Kolonie
fragte er sie. »Würdest du
Schwierigkeiten bekommen, wenn sie annehmen würden, du
hättest mir geholfen, hier rauszukommen?«
»Natürlich würde ich…«
Aber weiter kam sie nicht. Er versetzte auch ihr einen Kinnhaken,
und sie sank rücklings auf die Couch.
»Wenn du Grips im Kopf hast, bleibst du liegen, bis die Wache
wieder zu sich kommt«, murmelte David, während er den
Karabiner aus den schlaffen Händen der Wache zog. Er
schlüpfte in den Vorraum hinaus und zog die Tür hinter sich
zu.
Für mich gibt es keine Möglichkeit zu entkommen und
keinen Ort, wo ich hingehen könnte, dachte David,
während er über den Korridor huschte.
Information war alles, was er brauchte. Irgendwo muß es
hier eine Computeranlage geben, sagte er sich. Such dir einen
leeren Büroraum und…
Er stieß die nächste Tür auf, die nicht
verschlossen war. Es war ein leeres Apartment, ein
Pförtnerzimmer mit Waschbecken und einer Liege.
Und dahinter ein leeres Büro mit einem Computer-Terminal auf
dem aufgeräumten Schreibtisch. Der blanke graue Bildschirm kam
David vor wie ein kostbares Juwel. Er schloß die Tür
hinter sich und sicherte sie mit dem Riegel. Dann setzte er sich an
den Tisch und versuchte, den Datenspeicher des Computers
anzuzapfen.
Es dauerte nur ein paar Minuten, aber er wußte, daß
die Zeit dahinflog. Auf dem Computerschirm flammten die ersten
Informationen auf. Hier gab es keine Geheimnisse mehr. Der Computer
würde ihm alles verraten, was er wissen wollte… wenn er nur
die richtigen Fragen stellte.
Es war ein medizinisches Labor, wie er angenommen hatte, dessen
Aufgabe hauptsächlich darin bestand, Gegenmittel für
ansteckende Krankheiten zu finden. Wie in den meisten modernen Labors
umfaßte der Herstellungsprozeß mutierte Mikroben, die
fröhlich und munter jene Antitoxine vervielfachten, die der
Biologe in ihre genetische Struktur einfügte. Doch es gab auch
einen breiten Forschungsabschnitt, wo neue Antitoxine entwickelt und
an lebenden Bakterien- und Viruskulturen erprobt wurden.
Eine weitere umfangreiche Abteilung des Labors war der Herstellung
von Steroiden und sonstigen Hormonen gewidmet.
Lerne deinen Feind kennen, dachte David, während er
Leos Krankenblatt aus dem Computer fischte und auf den Bildschirm
holte. Das dauerte eine Weile, weil Leo unter seinem wirklichen Namen
registriert war. David mußte eine Liste von Patienten abrufen,
die mit Steroiden behandelt wurden, und diese dann nach der
physischen Beschreibung aussortieren.
ELLIOT GREER, besagte die Datei in grünen Buchstaben, die
über den Bildschirm flimmerten.
»Mein Gott, der Mann ist ja ein wandelndes Chemielabor!«
murmelte David. Adrenokortikale, ACTH, somatotrophe Hormone zur
Stimulierung des Wachstums, Schilddrüsenhormone, um seinen
Metabolismus auf Touren zu halten, zyklisches AMP… »Selbst
seine dunkle Hautfarbe stammt von den Drogen«, bemerkte David
laut.
Und ohne ständigen Drogennachschub würde Leos Kreislauf
in wenigen Tagen zusammenbrechen – wenn nicht schon früher
etwas mit seinem Muskelsystem schiefging.
Er drückte den Zeitschalter auf dem Tastenfeld. Jetzt
dürfte der Wächter zu sich gekommen sein und Alarm
geschlagen haben. Höchste Zeit abzuhauen!
David mußte schnell und heimlich handeln. Er hielt sich an
die dunkelsten Winkel des Korridos und huschte unbemerkt dahin. Von
unten, aus der Cafeteria drang lautes Stimmengewirr an sein Ohr, und
er wußte, daß man seine Flucht entdeckt hatte.
Er hangelte sich über den Balkon, der die Cafeteria umrundete
und floh wieder in Richtung Labor. Wenn die nur nicht alles
restlos ausgeräumt haben, dachte er. Sie haben zwar Leos
Drogen weggeschafft, aber vielleicht haben sie etwas von dem
dagelassen, was ich brauche.
Die Labors waren ein Labyrinth aus Glas- und Metallröhren.
David mußte an jedem Computer-Terminal anhalten, das er nur
finden konnte, um genau feststellen zu können, wo er sich befand
und welchem Zweck das Gerät um ihn herum diente.
Entfernte Rufe drangen an sein Ohr, und er löschte alle
Lichter in seiner Umgebung. Der Bildschirm des Computers verbreitete
ein penetrant grünes Licht, aber ihm blieb nichts anderes
übrig, als nach der Information zu suchen, die er brauchte.
Irgendwo in der Tiefe seines Bewußtseins wußte er
genau, worum es ging: Hier ging es nicht allein um sein Leben, um
Bahjat oder die anderen, es ging vielmehr um Eiland Eins. Das war es,
worauf sie hinzielten. Vielleicht wußten sie es selbst noch
nicht, doch David
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