Die Kolonie
diesen Bereich überwachten. Bahjat
stellte sich hinter den Zollbeamten, so daß sein Rücken
ihre Hand, die die Waffe hielt, gegen die TV-Kameras abschirmte.
Durch die Luke der Luftschleuse strömten jetzt Männer
und Frauen, insgesamt mehr als fünfzig an der Zahl. Der kleine
Kahlkopf schaute verständnislos zu. Unter den Eindringlingen
befand sich der größte Mann, den er je gesehen hatte, ein
Mann, der alle anderen um Haupteslänge überragte. Er war so
groß, daß er sich kaum durch die Luke zwängen
konnte.
David trat unmittelbar hinter Leo aus der Luke. Irgend etwas wie
ein Gefühl von Heimkehr überkam ihn, als er den Fuß
in die Empfangshalle setzte. Er kannte jede Unebenheit des gefliesten
Bodens, jeden Kratzer in der Kunststoffbeschichtung der
Wände.
Aber er dachte auch an die ungeheure Aufgabe, die vor ihm lag, und
die Wiedersehensfreude verebbte schnell unter der Last der
Wirklichkeit.
Evelyn ging an Hamuds Seite. Sie trauen mir wirklich nicht, dachte sie. Aber sie war die einzige unter ihnen, die schon mal
auf Eiland Eins gewesen war, David ausgenommen, dem sie alle
miteinander nicht trauten.
Bahjats Plan scheint zu funktionieren, dachte Evelyn. Die
Landedocks und die Empfangshalle waren in weniger als fünf
Minuten besetzt worden. Die Techniker am Dock und die drei Alten am
Prüf Schalter waren im Handumdrehen gefesselt, geknebelt und mit
Drogen willenlos gemacht. Jetzt schwärmten die Guerillas aus, um
ihre Posten zu beziehen.
Die 52 Mann wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Bahjat sollte die
Gruppe leiten, die die Kontrollstation für Raumfahrzeuge
besetzen sollte; Hamud mit seiner größeren Gruppe sollte
die Kommunikations- und Verwaltungsgebäude besetzen, und Leo
sollte schließlich die Gruppe anführen, die das Kraftwerk
besetzen sollte.
Kontrolliere die Schlüsselpositionen, so lautete Bahjats
Plan. Die Guerillas werden das einzige Landedock der Kolonie erobern,
das interne und externe Kommunikationssystem besetzen und das
Kraftwerk, das die Kolonie mit Heizung, Licht und Strom versorgt. Dann werden sie die Kolonie kontrollieren und alles, was drin ist, wußte Evelyn.
Sie? fragte sie sich. Oder wir? Auf welcher Seite stehst
du eigentlich? Und sie mußte sich eingestehen, daß
sie im Augenblick selbst nicht wußte, auf welcher Seite sie
eigentlich stand.
Als die Guerillas auf die Rolltreppen zugingen, die zur U-Bahn
hinunterführten, betätigte David vorsichtig den Schalter in
seinem Backenzahn, um den implantierten Kommunikator einzuschalten.
In seinem Ohrimplantat ertönte ein Summen, und er vernahm die
monotone Maschinenstimme des Computers, die »BEREIT« sagte. Ich bin wieder komplett! jubelte er. Ich habe mein Gehirn
wieder!
Am oberen Ende der Rolltreppe, die nach unten führte,
begannen die Guerillas drei Gruppen zu bilden. Sturmtrupps! stellte David fest. Leo stand an der Spitze der einen Gruppe, um
Hamud hatten sich die meisten Leute geschart, und Bahjat führte
die dritte Gruppe an, die kleinste von allen.
Instinktiv baute sich David in Leos Nähe auf, aber Hamud
zeigte auf ihn: »Du kommst mit mir, Blaßarsch! Mach
schnell!«
David blickte auf Leo, der aber zuckte die Achseln.
Bahjat bahnte sich ihren Weg durch die Leute und sprach leise und
schnell in arabisch auf Hamud ein. Hamud schaute nervös vor sich
hin und tippte zornig auf seine Armbanduhr. Bahjat blickte ihrerseits
auf die Uhr, nickte kurz und trat dann schnell zu David.
»Du gehst mit Hamuds Gruppe… zum
Kommunikationszentrum.«
»Damit er mich von hinten abknallen und dann behaupten kann,
ich hätte versucht zu fliehen?«
Ihr Blick suchte den seinen, dann schaute sie beiseite.
»Biete ihm keine Möglichkeit. Wir haben keine Zeit für
Streitereien. Ich werde die Engländerin mitnehmen.«
Und so war’s dann auch. Bahjat brach in Richtung
Flugkontrollstation auf, Leo führte seine Leute die Rolltreppe
hinunter, und Hamuds größere Gruppe folgte ihnen zu den
Bahnsteigen.
David sah sich von zwei finster blickenden jungen Arabern
flankiert, die mit schweren Sturmgewehren ausgerüstet waren.
Die wissen genau, daß der Sicherheitsdienst die Kameras
hier nur ein paarmal im Tag kontrolliert, außer wenn
irgendwelche Störungen auftreten, dachte David. Sie
wissen es, weil ich’s ihnen gesagt habe. Sie haben mich zum
Judas gemacht.
Leos Gruppe mußte weiter vordringen und bestieg den ersten
Einwagenzug am Bahnsteig. Hamuds Gruppe aber wartete gespannt, bis
der nächste Zug nach wenigen Minuten eintraf.
Als
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