Die Kolonie
sich
unmittelbar an den Direktor von Eiland Eins wenden konnten. Keine
hübsche Sekretärin, die ihnen zulächelte, kein
offiziöser Assistent, der den Besucher wichtigtuerisch warten
ließ, bis er darüber befunden hatte, ob der Chef ihn
empfangen will oder nicht. Man konnte einfach ins Vorzimmer gehen und
den Hörer selbst in die Hand nehmen.
Es war ein anheimelnder Raum: funkelnde Couchen und Sessel aus
Chrom und Aluminium, mit Wildleder bezogen, dreidimensionale Bilder
aus der Ausbauphase von Eiland Eins, dicke Teppiche, die in der
Kolonie hergestellt wurden. Ein Raum in warmem Braun und Rot, durch
etwas Gelb gehöht.
Cobb ließ die Tür absichtlich laut ins Schloß
fallen, worauf David herumwirbelte und ihn anstarrte.
»Wo drückt dich der Schuh, mein Sohn?«
Einen Augenblick lang wußte David nicht, was er sagen, wo er
beginnen sollte.
»Ich habe die Standard-Vorhersage geprüft… das
globale Bild…«
Cobb aber nickte und meinte: »Und du bist dahintergekommen,
daß ich dir die Wahrheit gesagt habe. Die Welt steuert auf eine
Superkatastrophe zu, und das in atemberaubendem Tempo.«
»Hat es bereits begonnen?«
»Ja.«
»Und ich habe das nie gesehen«, sagte David und
ließ sich auf eine Couch fallen. »Ich bin eine Niete,
nicht wahr?«
Cobb kam zu ihm rüber und setzte sich zu ihm. »Ich habe
dich stets dicht am Ball gehalten, mein Sohn. Es ist mein Fehler so
gut wie deiner. Du kannst die große Linie einfach nicht sehen,
wenn du dem Bruttosozialprodukt von Bolivien nachspürst und
einen Querindex zu…«
»Ich kenne alle Daten«, sagte David. »Ich habe sie
alle in den Fingerspitzen. Aber ich habe sie noch nie
addiert.«
»Vielleicht hast du es nicht gewollt«, gab Cobb ihm zu
bedenken. »Das tut ziemlich weh, nicht wahr?«
David schaute in Cobbs zerfurchtes, verwittertes Gesicht.
»Wir müssen etwas dagegen tun.«
»Ich habe dir bereits gesagt, mein Sohn, da bleibt nichts zu
tun übrig.«
»Das möchte ich selbst herausfinden.«
Cobb lächelte. »Glaubst du mir etwa nicht?«
»Sie haben mir die Wahrheit gesagt… so, wie Sie sie
sehen«, sagte David. »Etwa wie Lilienthal, der meinte,
daß kein Mensch ein Motorflugzeug bauen könnte, das
wirklich fliegt. Aber die Brüder Wright haben eine
Möglichkeit gefunden.«
»Und du meinst, du könntest einen Weg finden, um die
Katastrophe zu stoppen?«
»Zumindest will ich’s versuchen.«
»Du weißt, die Katastrophe geht bereits ihren Gang. Sie
wurde bereits vor dreißig Jahren eingeleitet.«
»Ich weiß. Trotzdem will ich’s
versuchen.«
Cobb ließ sich in die wohltuende Wärme der Couch
zurücksinken. »Was schlägst du vor? Du weißt,
daß alle Computerstudien der Welt nicht dazu angetan sind, die
grundlegenden Daten zu ändern.«
»Dann müssen wir eben versuchen, neue Aspekte, neue
Konzepte, neue Wege zu finden.«
»Wo denn?«
»Auf der Erde. Ich müßte selbst hin, um mit
eigenen Augen…«
Cobb hob beschwichtigend die knochige Hand. »Nein. Du kannst
die Kolonie nicht verlassen.«
»Aber ich…«
»David, du kannst die Kolonie nicht verlassen. Ich sehe keine
Möglichkeit, dich ziehen zu lassen.«
»Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen!«
»Du bist wie ein Kind im Walde, mein Sohn. Außerdem
steht es dir gesetzlich nicht frei, die Kolonie zu
verlassen.«
»Ich weiß«, sagte David. »Ich bin nicht
Staatsbürger irgendeiner irdischen Nation. Aber ich kann
Bürger der Weltregierung werden. Ich brauche nur ein einfaches
Formular auszufüllen…«
»Hat sie dir das beigebracht?«
»Evelyn? – Ja.«
»Nun, sie hat recht. Es stimmt sogar«, gab Cobb zu.
»Doch das ist nicht die Lösung für dein Problem. Was
die Gesellschaft von Eiland Eins betrifft, bist du… so etwas wie
ein Besitz. Du bist ihr Eigentum.«
»Ihr Eigentum?«
Cobb breitete die Hände aus. »Die Gesellschaft ist im
Besitze deiner Dienstleistungen. Nach dem Gesetz bist du ihr Hab und
Gut – ähnlich wie jene Arbeiter, die sich hier für
einen Fünfjahresvertrag verdingen. Die können auch nicht
kommen und gehen, wie es ihnen paßt.«
»Das ist nur eine technische Frage.«
»Immerhin eine technische Frage, auf deren Beachtung ich
bestehen muß«, meinte Cobb. »Ich will nicht,
daß du auf die Erde gehst. Dort lauert nichts weiter auf dich
als Enttäuschung und Gefahr. Du bleibst hier, wo du
hingehörst.«
David sprang auf die Füße. »Sie können mich
hier nicht festhalten! Ich bin nicht Ihr Sklave!«
»Ich kann durchaus dafür sorgen, daß
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